Identitätszweifel

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Identitätszweifel

Beitrag von Mycelio » Mittwoch, 20. Januar 2021 02:02

Liebe Gluckenzüchter,

ich bräuchte mal eure Meinungen zu diesem Myzel.
Vor drei Monaten brachte mir ein Freund Stücke einer Glucke mit, die ich sogleich geklont habe. Von acht Ansätzen kam bloß ein Myzel durch, welches wie Gluckenmyzel aussah und im rasanten Tempo von 1mm pro Tag durch das Substrat wuchs. Danach folgten Substratexperimente in winzigen Gläsern, um wenigstens 2mm pro Tag zu erreichen und im Dezember fing ich dann an, es auf Getreide und größere Substratmengen loszulassen.
Inzwischen mehren sich aber meine Zweifel, hier wirklich ein Gluckenmyzel zu züchten.

Das Myzel wächst nicht so dicht, wie ich es in Erinnerung habe.
01_Myzel.jpg
Von der Impfstelle ausgehend erscheinen nach einer Weile winzige Knötchen, oft schon bevor das Substrat komplett besiedelt ist. Leider habe ich mir vor zehn Jahren keine Notizen zur Primordienbildung gemacht, aber die Masse an Knötchen, besonders in mageren Substraten, kommt mir seltsam vor.
02_Knoetchen.jpg
Auf Getreide (in diesem Fall Sittichfutter, größtenteils Hirse) erkennt man sie besser.
03_Knoetchen_auf_Getreide.jpg
Meist bleibt der Durchmesser unter 1mm. Die hier sind mit mehreren Millimetern richtig groß. Zuerst waren sie noch weiß, dann wurden sie langsam immer brauner und dunkler. Das darf nicht sein, oder?
04_braune_Klumpen.jpg
Zu allem Überfluss habe ich gerade eben diese beiden stacheligen Gebilde entdeckt.
05_stacheliges_Ding1.jpg
06_stacheliges_Ding2.jpg
Noch sind es Einzelfälle, zwei davon in 19 Ansätzen, aber da werden wohl bald ein paar Gläser frei...
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malda
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Re: Identitätszweifel

Beitrag von malda » Mittwoch, 20. Januar 2021 17:02

Aha. Wieder eingestiegen und gleich mal ne Glucke geklont... wie unfair ist die (Pilz)Welt :shock: .... bei mir hat weder die Glucke, noch jüngst der Samtfußrübling geklappt :? . Und mein vermeintlicher Rauchblättriger Schwefelkopf ist mir auch suspekt :( ...aber dank ABMkoch habe ich ja mit Gluckenmyzel etwas herumspielen können.
Hast Du die Glucke auch auf Agar? Ich finde auf Agarplatten ist sie am charakteristischsten. Da bildet die Animpfstelle eine ziemliche Wucherung und es wächst vergleichsweise dünnes Myzel über die Platte. Nach einiger Zeit (Wochen/Monate) bilden sich am Rand der Kultur Knubbel (Primordien?). Und sie ist langsam. Seeeehr langsam.
Medien.jpg
Bei Körnern verwende ich Weizen aber da mochte die Glucke eigentlich gar nicht drauf wachsen.
Ins Substrat ging sie dann schon deutlich besser (nachdem ich Rotholz als brauchbares Substrat aufgetan hatte), aber ohne diese Knötchen. Die Wachstumsgeschwindigkeit von 1 mm/d passt denke ich ganz gut.
An solche weißen Knötchen im Substrat kann ich mich nicht wirklich erinnern, aber diese Gebilde an der Glaswand kommen mir sehr bekannt vor, wenngleich sie bei mir deutlich heller sind.
patch2.jpg
patch.jpg
An der Oberfläche bilden sich nach gewisser Zeit eigentlich immer Knubbel (mal größer, mal kleiner), die manchmal auch bizzar aussehen, aber an solch gleichmäßig stacheligen Gebilde kann ich mich nicht erinnern.
Oberfläche.jpg
Auch wenn diese gleichmäßig stacheligen Gebilde seltsam sind, denke ich das Du eine Glucke im Glas hast. Was hast Du denn als Substrat? Steril?
Und wie unterschiedlich dicht die Glucke wachsen kann hängt ja ganz wesentlich vom Substrat bzw. den Zuschlagsstoffen ab. Rechts reines Rotholz (komplett durchwachsen!), links Rotholz mit etwas Glukose und Weizenmehl.
Mehl_vs_ohne.jpg
Bei einem Ansatz wuchert es seitlich gerade ziemlich, so dass das Substrat/Myzel vom Rand weggedrückt wird.
blob.jpg
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Re: Identitätszweifel

Beitrag von Mycelio » Donnerstag, 21. Januar 2021 02:08

Vielen Dank Dietmar für deine Einschätzung und die Fotos.

Naja, ich selbst habe in den letzten 14 Jahren bloß eine einzige Glucke gefunden, völlig unerwartet vor ein paar Jahren im Sommer bei 35°C.
Und den Samtfußrübling wirst du ja momentan sehr häufig finden. Ich finde es bei dem übrigens viel einfacher, mit Sporen zu beginnen.

Aber zurück zur Glucke. Ich fürchte ja, dass ich bloß ein gluckenähnliches Myzel pflege, aber eins nach dem anderen.
Ich hatte die Klonstücke gleich in winzige Gläser mit Buchenspänen, Kaffeesatz, Hirse und etwas Gips gegeben, ohne über Agar zu gehen. Das Substrat war sterilisiert und recht trocken, um Bakterien und Hefen das Leben schwer zu machen. Nach zwei Tagen erschienen in allen acht Gläsern die ersten Hyphenspitzen, die dann aber ertmal eine Woche Pause machten. Danach wuchs aus fünf Gluckenstücken Myzel, davon waren zwei Schimmel, zwei starben unterwegs ab und das letzte hatte nach insgesamt fünf Wochen sein Substrat besiedelt und bildete die ersten Knötchen. Das wunderte mich zuerst, dann hielt ich es aber für ein gutes Zeichen und fing an, mit winzigen Substratstücken von gegenüber der Impfstelle weitere Gläser zu beimpfen und Substratvariationen zu testen. Immer dabei waren Hirse (Sittichfutter) und Kaffeesatz. Buchenspäne, Hartholz- sowie Nadelholzpellets kamen einzeln oder gemischt dazu, dann noch verschiedene Anteile von Traubenzucker, Honig und Malzextrakt, manchmal mit Weizen- und Sojamehl, Hefeextrakt und Pepton, sowie am Ende auch Wurmkompost. Leider war der Effekt auf die Wachstumsgeschwindigkeit gering. Mehr als 2mm/d sind wohl nicht drin, solange wir nicht genaueres über die Lebensbedingungen eines Gluckenmyzels in freier Wildbahn wissen. Mit steigendem Nährstoffgehalt im Substrat wuchs das Myzel etwas dichter. Verglichen mit meinen Experimenten vor zehn Jahren oder dem, was ich bei dir und anderen sehe, ist die Besiedelung aber immer noch schwach und weit entfernt von reinweiß und dicht. Eine Myzelverdichtung nach der Substratbesiedelung konnte ich bisher nicht beobachten.
Myzel auf der Substratoberfläche kam nur bei den beiden gehaltvollsten Substraten vor.
Die winzigen Knötchen dagegen treten in den nährstoffärmsten und trockensten Substraten flächendeckend auf. In den reichhaltigeren und etwas feuchteren Substraten sind es deutlich weniger.
Bei den etwas größeren Knubbeln hatte ich gehofft, dass sie weiter wachsen und sich zu Fruchtkörpern entwickeln würden, aber sie verfärben sich einfach nur braun und werden immer dunkler. Als ich vorhin in einem Glas oben auf dem Substrat ein paar davon entdeckte, die vergammelt aussahen, öffnete ich mehrere Gläser für eine Geruchsprobe. Es war aber nichts muffiges oder fauliges wahrzunehmen. In den Gläsern roch es eher frisch pilzig, wobei der typische Gluckengeruch fehlte. Daraufhin habe ich das am längsten besiedelte Glas geschüttelt und geöffnet. Leider gab es auch dort keine Spur des typischen Duftes. Es roch einfach nur pilzig und leicht herb, wie ein Schopftintling, bloß viel schwächer.

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Re: Identitätszweifel

Beitrag von malda » Donnerstag, 21. Januar 2021 18:14

Mycelio hat geschrieben: Donnerstag, 21. Januar 2021 02:08 Und den Samtfußrübling wirst du ja momentan sehr häufig finden. Ich finde es bei dem übrigens viel einfacher, mit Sporen zu beginnen.
Das klingt gut, das mach ich das nächste mal definitiv auch so.... ist ja auch nichts dran an dem Pilz...
Mycelio hat geschrieben: Donnerstag, 21. Januar 2021 02:08 Als ich vorhin in einem Glas oben auf dem Substrat ein paar davon entdeckte, die vergammelt aussahen, öffnete ich mehrere Gläser für eine Geruchsprobe. Es war aber nichts muffiges oder fauliges wahrzunehmen. In den Gläsern roch es eher frisch pilzig, wobei der typische Gluckengeruch fehlte. Daraufhin habe ich das am längsten besiedelte Glas geschüttelt und geöffnet. Leider gab es auch dort keine Spur des typischen Duftes. Es roch einfach nur pilzig und leicht herb, wie ein Schopftintling, bloß viel schwächer.
Jetzt hab ich auch nochmal meine Nase ans offene Glas gehalten – und in der Tat es riecht nicht so dolle irgendwie nach Lösungsmittel!

Die Krause Glucke ist prinzipiell ein toller Pilz, aber bei mir hat seine Attraktivität schon stark gelitten seitdem ich feststellen musste, dass da alles nur steril geht. Mir ist eigentlich das Pasteurisieren/Mikrowellisieren schon zu viel, weshalb ich mich als nächstes vermutlich mal ins „kaltpasteurisieren“ stürtze (mit Asche).

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Re: Identitätszweifel

Beitrag von Mycelio » Freitag, 22. Januar 2021 00:44

Ja, stimmt schon, aber irgendwie sind die schwierigen Arten doch besonders reizvoll.

Eines hatte ich gestern vergessen:
malda hat geschrieben: Mittwoch, 20. Januar 2021 17:02 Bei Körnern verwende ich Weizen aber da mochte die Glucke eigentlich gar nicht drauf wachsen.
Waren da die Körner alle intakt? Viele schwächer wachsende Pilze kommen nicht durch die Außenhaut. Da klappt es besser, wenn zumindest ein Teil der Körner geplatzt ist.

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Re: Identitätszweifel

Beitrag von malda » Freitag, 22. Januar 2021 19:50

Mycelio hat geschrieben: Freitag, 22. Januar 2021 00:44 Ja, stimmt schon, aber irgendwie sind die schwierigen Arten doch besonders reizvoll.
Das stimmt auch wieder – hab ihn ja noch nicht ganz abgeschrieben 8)
Mycelio hat geschrieben: Freitag, 22. Januar 2021 00:44 Waren da die Körner alle intakt? Viele schwächer wachsende Pilze kommen nicht durch die Außenhaut. Da klappt es besser, wenn zumindest ein Teil der Körner geplatzt ist.
Da ich die Körner nur einweiche vor dem Autoklavieren sind die i.d.R. relativ intakt, von daher wäre es vielleicht wirklich zu überlegen nochmal angematschte Körnen zu testen – Mehl mag die Glucke ja eigentlich.

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Re: Identitätszweifel

Beitrag von mariapilz » Freitag, 22. Januar 2021 20:18

interessant. Muss ich mir merken, dass die "Haut" des korns für einige scher zu überwinden ist.

...Das Korn "anzumatschen" ist da wohl nicht gemeint. Das Korn keimen lassen kommt besser. Innerhalb 1 max 2 Tage sollten die körner im warmen Wasser gekeimten haben.
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Re: Identitätszweifel

Beitrag von Mycelio » Freitag, 22. Januar 2021 23:34

Ich meinte nach dem Einweichen solange kochen, bis einige Körner platzen, damit - wie Dietmar schreibt - das Myzel ohne Hindernisse an die Stärke kommt. Das macht das ganze dann natürlich matschig und klebrig. Um später schütteln zu können, breite ich die Körner auf einem Handtuch aus, lasse sie oberflächlich antrocknen und rühre noch etwas getrockneten Kaffeesatz unter, bevor sie sterilisiert werden.
Für die Glucke würde ich den Aufwand aber nicht betreiben, sondern die geplatzten Körner ins Substrat mischen und alles zusammen sterilisieren.

Bzgl. Außenhaut der Körner gehe ich davon aus, dass die Pflanzen dort Abwehrstoffe einlagern. Viele Samen sollen ja monatelang durchhalten, ohne vom nächstbesten Pilz sofort verdaut zu werden.
malda hat geschrieben: Freitag, 22. Januar 2021 19:50
Mycelio hat geschrieben: Ja, stimmt schon, aber irgendwie sind die schwierigen Arten doch besonders reizvoll.
Das stimmt auch wieder – hab ihn ja noch nicht ganz abgeschrieben
Einige deiner Gläser fruchten ja auch schon. Aber wenn dir die Glucke zu nervig wird, nehme ich dir gern was ab. :wink:

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Re: Identitätszweifel

Beitrag von malda » Samstag, 23. Januar 2021 09:36

Mycelio hat geschrieben: Freitag, 22. Januar 2021 23:34 Aber wenn dir die Glucke zu nervig wird, nehme ich dir gern was ab. :wink:
Naja, nervig würde ich sie jetzt nicht bezeichnen (sie steht halt rum), aber ein Gläschen kannst Du gerne haben.
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Re: Identitätszweifel

Beitrag von Mycelio » Samstag, 23. Januar 2021 10:22

Das wäre toll. Ich schreibe dir mal ne Nachricht.
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