Hallo,
ich möchte Euch heute von einem massiven Problem berichten, welches ich habe und welches die Fortführung meines neuen, aber mir inzwischen schon sehr ans Herz gewachsenen Hobbys, also der Pilzzucht, ernsthaft in Frage stellt.
Begonnen hat alles damit, dass in meinem neuen Durchwachsraum, wie weiter oben schon berichtet, die klimatischen Bedingungen derart optimal sind, dass meine Kulturen, obwohl sie dort eigentlich ja nur durchwachsen sollten, vor lauter Fruktifikationen förmlich explodierten, d.h., dass sich ca. alle zwei Tage an etlichen Beuteln gigantische Büschel von Pilzen bildeten, sowohl was die Zahl als auch den Umfang einzelner Exempllare betraf. Ich hatte sozusagen alle Hände voll zu tun, um überhaupt noch mit dem Ernten (und auch der Weiterverarbeitung, z.B. trocknen, grillen oder sauer einlegen) nachzukommen und hier beginnt das eigentlich Problem.
Indem ich einige Tage anderweitig sehr beschäftigt war und den Raum somit zwei od. drei Tage nicht betreten bzw. dort geerntet hatte, hatte sich zwischenzeitlich eine große Menge Pilze gebildet, so ca. 2 bis 3 Kg, alles Austern- u. Zitronenseitlinge.
Ansich erfreulich, aber leider hatten davon nun auch schon viele damit begonnen, Sporen abzugeben und zwar in solchen großen Mengen, dass sich im ganzen Raum bereits eine feine Staubschicht gebildet hatte. Ich habe diese entfernt mittels staubsaugen und anschliessend alles gründlich feucht wischen. In den nächsten Tagen wiederholte sich das gleiche Szenario noch einige male und während dieser Zeit bemerkte ich an mir einige seltsame Erkältungssymptome, welche immer stärker wurden. Anfangs wunderte ich mich noch etwas, wiso ich mitten im Sommer eine Erkältung bekam und wiso überhaupt, normalerweise bin ich nämlich so vital, dass ich im Durchschnitt nur alle 6 bis 8 Jahre eine Erkältung bekomme und die auch meist nur, wenn ich gerade besonders viel Stress habe.
Auch fühlte sich die Anfangssymptomatik diesmal irgendwie anders an als sonst insofern, als dass sonst übliche Symptome wie Schnupfen oder Halsschmerzen diesmal gar nicht der Erkältung vorausgingen. Ich hatte einfach nur einen merkwürdigen trockenen Husten, bei dem sich die Lunge irgendwie anfühlte wie ausgekleistert und der mal stärker wurde, dann wieder etwas abflaute, um anschliessend noch stärker zu werden. Insbesondere abends wurde es besonders unangenehm, da ich teilweise das Gefühl hatte, kaum noch Luft zu kriegen.
Unter diesen Umständen bedurfte es keiner besonders großen Geistesanstrengung um den Husten und meine Ernte- und Putz-Aktionen in dem sporenverseuchten Raum in einen ursächlichen Zusammenhang zu stellen. Eine anschliessende Recherche im Internet und ich wusste nunmehr konkret, was die Glocke geschlagen hatte, bzw. das Problem hat nun einen Namen:
BerufsKrankheit Nr. 4201: Exogen-allergische Alveolitis - kurz EAA, oder im Volksmund auch "Pilzzüchterlunge" genannt.
Nachfolgend ein Link zu einer guten Beschreibung dieser Krankheit,
http://arbmed.med.uni-rostock.de/bkvo/m4201.htm
es handelt sich dabei um eine starke allergische Reaktion des Immunsystems (und das ausgerechnet mir, der ich bislang noch nie irgendeine Art von Allergie hatte), welche entweder durch die starke Sporenexposition von mir "erworben" wurde oder aber auch schon angeboren war, wie ich inzwischen weiss sind standardmässig mindestens 40% aller in der Pilzindustrie-Verarbeitung (Ernten, Verpacken) tätigen Arbeiter davon betroffen, während es allerdings andererseits auch Menschen zu geben scheint, denen das überhaupt nichts ausmacht.
Ironischerweise sollen ausgerechnet Raucher etwas unempfindlicher dagegen sein, da sich bei Ihnen das Immunsystem durch die ständige Nikotinaufnahme eh ständig iin einer Art Ausnahmezustand befindet. Der Umstand, dass ich selbst nicht gerade wenig rauche und sich dennoch die Krankheit bei mir mit sehr starken Symptomen äussert, gibt mir sehr zu denken. Ich bin teilweise nachts aufgewacht weil ich das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu kriegen und habe mir dann erst mal die halbe Lunge aus dem Balg gehustet, um überhaupt wieder etwas atmen zu können.
Und solllte die Sache wirklich chronisch werden, dann erwartet einen am Ende ein Lungenenphysem oder eine Lungenfibrose - ich hab zwar keine Ahnung was das eigentlich genau ist, aber es hört sich überhaupt nicht gut an finde ich.
Ich habe dann etwas experimentiert um heruszufinden, ob es bei mir schon chronisch ist, indem ich eine zeitlang gezielt die Sporenexposition gemieden habe um zu schauen, ob die Symptome wieder zurückgehen. Dies scheint tatsächlich der Fall zu sein (*uff*), allerdings geht die Scheisse wieder von vorne los, sobald ich auch nur mit wenigen Sporen in Berührung komme.
Als Therapie wird den betroffenen Arbeitern in der kommerziellen Pilzzucht empfohlen, unbedingt den Arbeitsplatz zu wechseln, und die übrigen müssen als Arbeitsschutzmassnahme standardmässig eine Atemschutzmaske tragen. Letzteres habe ich auch ausprobiert, aber die Dinger kann man voll vergessen, da sie niemals wirklich hundertprozentig dicht sind.
Als entsprechende Sofortmaßnahme habe ich nun sämtliche Kulturbeutel nach draussen in den Garten verfrachtet, ich habe mir da so ein Gestell gebaut (nicht zuletzt als Schutz vor den Schnecken) auf dem die Beutel nun liegen. Dadurch, dass sie dort nun dem Wetter und insbesondere dem Wind ausgesetzt sind, können die Sporen, sobald sich welche bilden, verblasen werden, wies ja auch von der Natur so vorgesehen ist.
Unter diesen Umständen sind die Krankheitssymptome inzwischen bei mir weitestgehend abgeklungen, aber dennoch ist die Sache damit noch nicht wirklich vom Tisch. Das merke ich daran, das sich die Symptome wieder ansatzweise hier und da zeigen, wenn ich Pilze ernte, die nicht mehr ganz jung sind und von denen vielleicht schon der eine oder andere Sporen gebildet hat - die meisten werden wohl weggeweht, aber ein gewisser Teil haftet dennoch den Pilzen an. Da es sich um eine allergische Reaktion handelt genügen bereits geringe Mengen, um bei mir im Körper, bzw. im Immunsystem, eine vergleichsweise heftige Reaktion auszulösen.
Tjaa, das ist nun der Stand der Dinge und ich überlege nun, wie es jetzt weitergehen soll.
Mein erster Impuls war, das ganze Hobby einfach aufzugeben, letztlich ist mir meine Gesundheit und körperliche Unversehrtheit das höchste Gut und immerhin konnte ich bereits am eigenen Leibe erfahren, dass mit dieser Sache wirklich nicht zu spaßen ist.
Andererseits ist mir die Pilzzucht, obwohl ich sie noch nicht soo lange betreibe, inzwischen doch schon sehr ans Herz gewachsen. Es macht mir einfach total viel Spass, den Pilzen beim wachsen zuzuschauen (und natürlich auch, sie zu essen) und irgendwie möchte ich das bisher Erreichte und auch meine zukünftigen Pläne nicht einfach so beim auftauchen der ersten Schwierigkeiten in den Ofen schieben.
Genauergesagt stellt sich mir die Frage, ob es unter bestimmten Umständen oder besser gesagt: geeigneten Maßnahmen, nicht doch irgendwie möglich sein kann, die Sache zu betreiben, ohne gleich Leib und Leben zu riskieren ... ich meine, andere Leute züchten doch auch Pilze, was ist zum Beispiel mit kommerziellen Pilzfarmen ? Und ich habe mich ja auch wirklich dumm verhalten und einer besonders hohen Sporenmenge ausgesetzt, auch dass muss ich ja nicht unbedingt wiederholen, bzw. darin steckt schon ein möglicher Ansatz für Schutzmaßnahmen: Der ganze Weg von der Petrischale bis zum Kulturbeutel im Durchwachsraum ist kein Problem, sondern nur der letzte Schritt, also die Fruchtung und die Ernte.
Prinzipielll muss ich einfach nur vermeiden, dabei mit den Sporen in Berührung zu kommen. Da Atemschutzmaske und ABC-Schutzanzug
m.E. keinen wirklichen Schutz bieten, müsste man logischerweise einfach generell vermeiden, dass die Sporen überhaupt erst entstehen.
Das könnte im Grunde dadurch geschehen, dass man die Pilze nicht auf maximale Größe bis ins letzte Endstadium heranreifen lässt, sondern schon vorher erntet (dann sind sie auch von viel zarterer Qualität). Lelley spricht in diesem Zusammenhang von einer sogenannten "Dreiviertel-Reife".
Ich argwöhne allerdings, dass es dabei ein kleines Problem gibt, welches auch durch diesen Begriff impliziert wird: Die Austernpilze wachsen ja meist in Büscheln mit großen und kleinen Exemplaren in unterschiedlichen Reifestadien, d.h. einige sind noch gar nicht voll ausgewachsen, wenn andere schon anfangen zu sporen.
Ich wäre allerdings unter den gegebenen Umständen durchaus bereit, auf einen Teil des Ertrags zu verzichten, die Frage bleibt indessen, ob man das wirklich so genau kontrollieren kann, meiner bisherigen Erfahrung nach eher nicht, d.h., es gibt im Büschel immer schon das eine oder andere, oftmals auch gut versteckte bzw. durch andere verdeckte Exemplar, welches sich schon in einem fortgeschritteneren Reifestadium befinden kann, ohne das man dessen gewahr wird. Andererseits vermeine ich aber, inzwischen schon recht gut anhand der Wölbung des Hutes und an dessen Rand ablesen zu können, wie reif der einzelne (Austern-)Pilz schon ist.
Insofern also die Frage ans geschätzte Publikum: Was meint Ihr, kann man das Reifestadium der Pilze sicher genug kontrollieren um eine etwaige Sporenbildung zumindest weitestgehend zu vermeiden ? Und gibts veilleicht noch andere Kriterien zur Beurteilung des Reifegrades ?
Auch erscheint es mir so, dass die Sporenproblematik bei den Zitronenseitlingen wesentlich gravierender als bei den Austenpilzen ist, die fangen oft schon im Alter von ca. 2 Tagen an auszusporen, auch wenn sie noch relativ klein sind.
Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt könnte für mich also noch die Sortenwahl sein. Ich hab in letzter Zeit meine Pilzliteratur ziemlich gründlich nach speziell der Sporenproblematik durchforstet (bin übrigends seit meinem Geburtstag neulich jetzt endlich auch stolzer Besitzer der beiden Stamets-Bücher
) und dabei fielen mir vor allem zwei Dinge auf:
1. Die Sporenproblematik wird grundsätzlich erwähnt, allerdings scheint da keiner einen besonderen oder generellen Hinderungsgrund für Pilzzucht zu sehen; Lelley erwähnt sie nur am Rande, Stamets schon etwas ausführlicher und gibt auch einige Anregungen für sinnvolle Gegenmaßnahmen, wie z.B. eine Luftwäsche mit Wasser im Umluftsystem.
2. Die Sporenproblematik wird in den meisten Fällen im Zusammenhang mit Austernpilzen bzw. der Pleurotus-Familie erwähnt. Vereinzelt fand ich im Internet auch Hinweise auf ähnliche Problematik bei Shiitake u. Champignons, Stamets erwähnt sie auch mal explizit bei Reishi.
Letzterer Punkt gibt mir einen gewissen Anlass zur Hoffnung dahingehend, daß eine entsprechende Sortenwahl bzw. Erweiterung meiner Sorten Abhilfe bei dem Problem schaffen könnte.
Ich hatte ohnehin vorgehabt, so langsam auch mal was anderes als immer nur Austern- und Zitronenseitlinge anzubauen, denn zum einen habe ich mich mit diesen nun wirklich lange und gründlich genug beschäftigt und zum anderen weigert sich meine Familie mittlerweile, die dauernd essen zu müssen
Ich hab mir jetzt also Brut von einigen anderen Sorten bestellt, bin schon recht neugierig darauf.
Aber nichtsdestotrotz gibts da noch etwas, das mir etwas Kopfzerbrechen bereitet: wenn ich mir die Auflistung Austernpilze, Shiitake und Champignons so anschaue, dann fällt mir auf, dass es sich dabei um die hierzulande bekanntesten und weitverbreiteten Zuchtsorten handelt, ich argwöhne daher, dass es sehr gut sein kann, dass die Sporenproblematik bei anderen Sorten genauso auftritt, nur hat sie noch keiner explizit in der Literatur beschrieben, weil es (hier) einfach keine kommerziellen Züchter gibt, welche die Sorten, mit denen sich die Pilzfreunde hier im Forum so üblicherweise beschäftigen, im großen Stil anbauen.
Sollte dies so sein, so besteht für mich dennoch eine kleine Hoffnung, nämlich, dass das Sporenproblem zumindest bezüglich seiner Kontrollierbarkeit (Stichwort: Dreiviertelreife) insbesondere mit Seitlingen koreliert sein könnte oder genauer gesagt speziell mit Sorten, die in Büscheln wachsen, von denen stets der eine Pilz den anderen verdeckt.
Anders wäre es aber z.B. beim Champignon, der zum einen in einzelnen Exemplaren aus dem Boden kommt, und wo ich zum anderen anhand des Zustandes von diesem Häutchen (hab grad den Fachausdruck nicht parat) sehr genau den Reifegrad kontrollieren kann.
Das wäre jedenfalls nun meine zweite Frage an Euch: Trifft es zu, dass die Sporenproblematik bei einigen Sorten wie Austernpilz besonders stark auftritt und bei anderen Sorten aber eher gar nicht, oder handelt es sich hier veilleicht lediglich um eine Art statistischen Effekt, der darauf beruht, dass gerade bei den hier üblichen Marktsorten besonders viel geforscht und publiziert wurde im Gegensatz zu den selteneren und exotischeren Sorten ? Bzw. könnte ich durch Auswahl anderer Sorten die Pilzzucht weiterhin und relativ gefahrlos betreiben ?
Die Sortenwahl als mögliche Massnahme gegen EAA ist für mich ein besonders wichtiger Lösungsansatz, aus dem schlichten Grund, weil bald der Winter kommt. Es wäre schön, wenn ich den Winter über zumindest andere Sorten in meiner frisch renovierten Kellerecke ziehen könnte.
Die Austernpilze dagegen, soviel ist sicher, kommen mir nicht mehr ins Haus, bzw. werde ich definitv nicht mehr drinnen und in geschlossenen Räumen kultivieren, sondern wenn überhaupt dann nur noch draussen im Garten - was bedeutet, das es die für mich nur im Sommer geben kann.
Ich könnte mich aber durchaus damit trösten, dass ich im Winter noch andere Sorten drinnen anbauen kann.
OK, soweit dies. Das ist ja mal wieder ne etwas längere Msg. geworden, ich hoffe aber, dass der eine oder andere von Euch sie trotzdem lesen wird und vielleicht sogar etwas Informatives zu meinem Problem beisteuern kann. Oder dass sie zumindest dem einen oder anderen zur Warnung gereichen möge, allzu locker mit den Sporen umzugehen. Ich kann Euch jedenfalls versichern, dass die EAA-Symptome echt nicht spassig sind.
gruss, oliver