Weißfäule

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Weißfäule

Beitrag von Tochrim » Dienstag, 05. April 2016 18:36

Hallo liebe Leser,
Ich bin neu im Forum und möchte mich erstmal Vorstellen. Mein Name ist Christoph und ich bin 28 Jahre alt. Ich Studiere Umweltingenieurswissenschaften mit einer Spezialisierung auf Wasser und Abwasser.
In meinen Studien bin ich auf einen wissenschaftlich hoch interressanten Pilz gestoßen, den Phanerochaete chrysosporium. Ich würde mir gerne welche davon Züchten.
Nun ist das ja ein Forum für Pilzzucht in Hinblick auf die Speisepilzzucht, aber ich hoffe ich darf in diesem Teil trotzdem ein paar Tips geben lassen kann und mir ein paar Vorschläge anhören kann.
Da es bei Speisepilzen auch Weißfäulepilze gibt wollte ich an Züchter von Weißfäulepilzen ein paar Fragen loswerden:

1. Die Reinkultur von dieser Art kann man sich im Internet bestellen. Würde ich mit dieser ein Flüssigsubstrat machen? Oder gebe ich die Reinkultur in eine Körnerbrut?

2. Welches Substrat würdet ihr empfehlen? Holz, wenn ja welches und sollte es ggf. mit Stroh oder Kaffeesatz gemischt werden?

3. Welche Substratzusätze würdet ihr dazugeben?

Ich danke schon jetzt für eure Antworten.
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Re: Weißfäule

Beitrag von Lauscher » Dienstag, 05. April 2016 20:28

Hallo Tochrim,

willkommen im Forum!
Ich habe mal auf die Schnelle Deinen Link und weitere Infos im Netz über den Pilz gelesen.
Was macht ihn für Dich interessant? Die Erzeugung reinweißer Cellulose, oder die Möglichkeit, ligninähnliche Kunststoffe und Gifte zu zersetzen?
Als Substrat halte ich pauschal Holz und Stroh für geeignet; Nadelholz enthält wohl besonders viel Lignin, wird aber wegen des Harzes von vielen Pilzen nicht gut angenommen. Ob Phanerochaete chrysosporium auch auf Nadelholz wächst, habe ich auf die Schnelle nicht gesehen.
Am Besten machst Du Experimente mit mehreren verschiedenen Hölzern und Substratzusätzen.

Ein sehr gutes Substrat könnte Pappe sein, die besonders viel Lignin enthält, und quasi ein Abfallprodukt der Papierherstellung ist. Das Lignin in Pappe dürfte sehr gut verfügbar sein. Möglicherweise ist in der Papierproduktion Lignin in irgendeiner Form in Großmengen als Abfall verfügbar.

Einen Versuch könntest Du auch mit Rotfäule-Holzresten machen. Ich habe hier z.B. ein paar rote, sehr leichte Brocken aus dem Inneren einer verfaulten Fichte liegen, die vermutlich fast reines Lignin sind.
Geht es Dir mehr um die Zersetzung ligninähnlicher Giftstoffe, könnten Vergleichsversuche mit anderen Weißfäulepilzen interessant sein, z. B. mit der sehr häufigen Schmetterlingstramete Trametes versicolor.

Viele Holzbewohner wachsen besser mit einigen Zuschlagstoffen. Für die bessere Zersetzung von Zellulose wird z.B. Gips zugesetzt, dessen Sulphatanteil dafür nützlich sein soll.
Im Wikipedia-Artikel zu Lignin werden Manganionen und Häme (Eisenverbindungen) genannt, die von Weißfäulepilzen gebraucht werden. Es dürfte also hilfreich sein, dem Substrat Mangan und Eisen zuzusetzen (in welcher Form und Verbindung auch immer. Kaffee enthält allerlei Minerale, könnte also geeignet sein). Möglicherweise sind weitere Stoffe sinnvoll, weiter habe ich nicht recherchiert.
Recent studies have revealed an association of a certain bacteria found in conjunction with this strain of fungi. Agrobacterium radiobacter was isolated as coexisting with the fungi, and very difficult to separate. [5] Discovery of how bacteria and fungi affect each other physiologically is yet to be conclusive, but further research could give further evidence of mutualism, and its affect on bioremdiation.
Beachten solltest Du die mögliche Symbiose des Pilzes mit der Bakterie Agrobacterium radiobacter. Evtl. ist er darauf angewiesen. Wenn Du den Pilz sowohl mit als auch ohne diese Bakterien kultivieren kannst, wäre das ein interessanter Vergleich.

Viele Grüße, Lauscher
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Re: Weißfäule

Beitrag von Tochrim » Dienstag, 05. April 2016 21:35

Danke für deine schnelle Antwort.
Was macht ihn für Dich interessant?
Phanerochaete chrysosporium wird in vielen wissenschaftlichen Arbeiten zur Zersetzung von diversen Giftstoffen im Wasser und im Boden eingesetzt.
Mein Interresse bezieht sich vorallem auf Zersetzung von Giftstoffen und deren oft noch gefährlicheren und schlechter nachweisbaren Metabolismen (Zersetzungsprodukte).
Geht es Dir mehr um die Zersetzung ligninähnlicher Giftstoffe, könnten Vergleichsversuche mit anderen Weißfäulepilzen interessant sein, z. B. mit der sehr häufigen Schmetterlingstramete Trametes versicolor.
Über das Zersetzungspotenzial der verschiedenen Weißfäulepilze gibt es diverse Studien. Phanerochaete chrysosporium hat sich dabei als bester Pilz bezogen auf das Zersetzungspotenzial herausgestellt. Daher werde ich mich vermutlich erstmal auf ihn stürzen. Daher würde ich mich auch sehr freuen, sollte jemand einen Stamm auf Lager haben :D

Was ich bisher im Forum und auf anderen Pilzzuchtseiten gelesen habe ist mir inzwischen klar, dass Nadelholz nicht gut geeignet ist und wenn dann nur, wenn es länger unter Wasser gelagert wurde (Obwohl ich kurz auf Kiefer geschielt habe wegen der antibakteriellen Wirkung).
Da ich die Kulturen gerne am Ende auf einem Medium hätte was sich kaum auflöst ist Pappe wohl nicht so recht geeignet. Das heißt ich bräuchte bestenfalls ein Holz. Die Frage ist nur welches ich am besten nehmen sollte.
Beachten solltest Du die mögliche Symbiose des Pilzes mit der Bakterie Agrobacterium radiobacter. Evtl. ist er darauf angewiesen. Wenn Du den Pilz sowohl mit als auch ohne diese Bakterien kultivieren kannst, wäre das ein interessanter Vergleich.
Ich hab jetzt schon einiges über den Pilz gelesen, und das ist mir noch nicht aufgefallen. Danke <3

Ein Punkt im generellen hätte ich noch, da ich bisher noch nicht gezüchtet habe würde ich mich in irgendeinem Chat gerne mal über Pilzzucht unterhalten und kucken ob ich alles grob richtig verstanden habe.

Viele Grüße
Tochrim
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Re: Weißfäule

Beitrag von Lauscher » Dienstag, 05. April 2016 21:41

Hallo Thorsten,

guck doch mal im chat: viewtopic.php?f=98&t=3221
Ich logge mich jetzt mal da ein.

Viele Grüße und vllt. bis gleich
Lauscher
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Re: Weißfäule

Beitrag von Lauscher » Donnerstag, 07. April 2016 20:55

Hallo Thorsten,

ein paar Gedanken sind mir noch gekommen.
Welches Substrat würdet ihr empfehlen? Holz, wenn ja welches
Sehr viel Lignin ist in Kokosfasern und Kokostorf enthalten, könnte also ein geeignetes Substrat sein.
Ansonsten hat sich "Chipsi Exotenstreu" aus Buchenholzspänen in der Pilzzucht bewährt.
Phanerochaete chrysosporium wird in vielen wissenschaftlichen Arbeiten zur Zersetzung von diversen Giftstoffen im Wasser und im Boden eingesetzt.
Mein Interresse bezieht sich vorallem auf Zersetzung von Giftstoffen und deren oft noch gefährlicheren und schlechter nachweisbaren Metabolismen (Zersetzungsprodukte).
Ich habe mal ein wenig nachgelesen; für diese Zwecke wird neben Phanerochaete chrysosporium auch der Austernseitling Pleurotus ostreatus und die Schmetterlingstramete Trametes versicolor genannt.
Da es bei der Sanierung/Entgiftung von Abwasser oder belasteten Böden gewöhnlich um große Mengen geht, werden entsprechend große Mengen an Pilz gebraucht, am ehesten in Form von myzeldurchwachsenem Substrat.

In Pilzzuchtbetrieben, die den Austernseitling kultivieren, fallen große Mengen an verbrauchtem Substrat an. Meines Wissens sind Pilzzuchtbetriebe dazu verpflichtet, dieses kostenaufwändig zu sterilisieren. Danach wird es als Kompost/Dünger verkauft.
Mein Gedanke ist, dieses verbrauchte Substrat zu verwenden. Vorteilhafterweise sollte es nicht abgetötet/sterilisiert sein - dies erspart dem Pilzzüchter Arbeit und Energiekosten, und eröffnet weitere Möglichkeiten in der Verwendung.

In Abwasser sind zwei Varianten denkbar:
- Passiver Stoffwechsel im anaeroben Medium: Das Substrat wird untergerührt und wird im anaeroben Milieu absterben. Die enthaltenen Enzyme verstoffwechseln Lignin und Giftstoffe. Die Konzentration der Enzyme im Substrat und die entsprechend benötigte Menge an Substrat für bestimmte Mengen Abwasser müssen ermittelt werden.
- Aktiver Stoffwechsel im aeroben Medium: Das Substrat wird untergerührt. Das Abwasser wird mit Sauerstoff versorgt (rühren&einblasen/blubbern). Der Pilz wächst im Abwasser (Prinzip der Flüssigmyzelkultur) und kann aktiv Enzyme bilden und Lignin und Giftstoffe verstoffwechseln. Das Wasser sollte eine austernpilzfreundliche Temperatur haben. Wie gut der Austernpilz mit den gegebenen Nährstoffen und ggf. vorhandenen Bakterien usw. zurechtkommt, muß erprobt werden. Austernpilze sind starkwüchsig und dominant, können also durchaus gegen Konkurrenten bestehen. EDIT: Auch der pH-Wert ist wichtig.

Viele Grüße, Lauscher
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