ich möchte mal ein paar Infos zum heimischen Riesenchampignon zusammentragen.
Allgemeines:
Er gehört zu den großen gilbenden Champignonarten, die in den letzten Jahren etwas in Verruf geraten sind, einerseits wegen höherer Gehalte an Agaritin (d.h. im Gegensatz zu rötenden Arten wie dem Zuchtchampignon sollte man sie nicht roh verzehren, sondern immer gründlich erhitzen, um das hitzelabile Agaritin zu zerstören), andererseits weil sie sehr effektiv evtl. im Boden vorkommendes Cadmium sammeln, weswegen vom häufigen Verzehr abgeraten wird, da man ja nie weiß, wie stark der Standort mit Schwermetallen belastet ist.
In der Literatur wird immer ein Anisgeruch beschrieben, manchmal auch Bittermandel. Ich rieche da aber nur Benzaldehyd, also einen süßlichen Mandelgeruch, so wie Marzipan.
In der freien Natur erscheint er von Sommer bis Herbst bevorzugt unter Nadelbäumen, aber er kann auch anders. Meine bisherigen beiden Funde waren einmal 2010 unter einem Stechpalmengebüsch (Ilex) in einem stark genutzten Park, also mit eher hohem menschlichen Urineitrag und vor zwei Monaten in einem kleinen Laubwald am Weg zwischen morschen Holzresten. Auch dort ist eine Düngung mit Hundeurin wahrscheinlich.
Zucht:
Als ich nach dem letzten Fund im Netz nach Infos zur Zucht suchte, war nicht viel zu finden und auch nicht sehr ermutigend. Man liest immer wieder, dass das Klonen nur selten klappt, das Myzel sehr schlecht wächst und sehr lange braucht, um sich auf einen Substratwechsel einzustellen. Hinweise auf erfolgreiche Sporenkeimung findet man gar nicht.
Trotzdem hatte es Geer vor einigen Jahren geschafft, Riesenchampignons auf Pferdemist zur Fruchtung zu bringen.
https://beimgeer.hpage.com/meine-pilzzu ... ustus.html
Im Shroomery-Forum war es Workman und Atricoz ebenso gelungen. Workman berichtet von vielen erfolglosen Klonversuchen und keinerlei Sporenkeimung. Bei beiden hatte es aber irgendwann doch geklappt. Workmans Myzel fruchtete irgendwann auf Getreide (Vogelfutter, hauptsächlich Hirse) und Pferdemist, jeweils mit Torf/Kalk als Deckschicht, das von Atricoz auf Kuhmist/Weizen mit Torf/Vermiculite.
https://www.shroomery.org/forums/showfl ... er/4542688
https://www.shroomery.org/forums/showfl ... r/19617116
2010 hatte ich mehrmals mit von mir und anderen gesammelten Sporen experimentiert, aber nur ein einziges Mal Erfolg. Ich vermute allerdings, dass in dem betreffenden Glas irgendeine Konti zugegen war und geholfen hat, die Keimruhe der Sporen zu überwinden. Mangels Erfahrung konnte ich das Myzel aber nicht lange am Leben halten.
Bei einem Klonversuch auf Substrat wuchs nur aus Hutstücken Myzel, bei welchem das Wachstum aber immer wieder stockte. Letztendlich fiel es dem Köpfchenschimmel zum Opfer.
Mitte August fand ich dann ganz unerwartet einen einzelnen, schon aufgeschirmten Pilz, der im oben erwähnten Holzhaufen aus der Erde wuchs. Leider waren Schnecken, Kellerasseln und Pilzfliegen schon zur Stelle. Fotos hatte ich in diesem Beitrag gepostet:
viewtopic.php?f=30&t=5009#p38188
Hier nochmal zwei spätere Fotos vom Fundort, über den ich mich immer noch wundere: Stark morsche Laubholzreste, z.T. wahrscheinlich Robinie, bereits von Braunfäulepilzen zersetzt und wenig Laub von Eiche, Ahorn und Robinie, außer Lignin sollte da eigentlich kaum was zu holen sein.
Natürlich hatte ich dann eilig Agar gekocht, sterilisiert, in Petrischalen gegossen und von einem Teil des Hutes Sporen auf Alufolie gesammelt. Nachts wurden dann sieben Hutstücke geklont, z.T. mit Resten der Lamellen dran und zwei Tage später Sporen auf Agar verstrichen. Wie befürchtet, war der Stiel innen völlig von Maden zerfressen und auch im Hutgewebe waren sie fleißig unterwegs. Schon am nächsten Morgen musste ich drei Petris wg. Madenbefall entsorgen, aus einer anderen hatte ich eine einzelne Made herausgefischt. Überraschenderweise zog das keine weiteren Kontaminationen nach sich, obwohl die Made sogar auf dem Agar um das Pilzstück herum gekrochen war. Letztendlich blieben mir dann vier Schalen und schon nach einem Tag waren überall erste Hyphenspitzen zu sehen. Nach fünf Tagen fing das Myzel dann an, den Agar zu besiedeln, jedoch kam es tagtäglich bloß 0,1 bis max. 0,5mm voran. Sporen keimten nicht. Selbst bei den Hutstücken mit Lamellen wuchsen nur ein paar Hyphen aus dem Lamellengewebe und auch als ich nach zwei Wochen Myzel in eine der Schalen mit den Sporen brachte, passierte dort bisher nichts.
Neben dem eh schon sehr langsamen und ungleichmäßigem Wachstum kommt es immer wieder zum Stillstand und das vorher buschige Myzel wächst plötzlich platt und kaum sichtbar weiter. Zuerst war ich mir sicher, ich hätte irgendein Kontimyzel an Bord, aber nach ein bis zwei Wochen fangen die platten Bereiche oft wieder an, buschig in die Luft zu wachsen. Nach fünf bis sechs Wochen kam es in mehreren Schalen endlich zu schnellerem und kräftigerem Wachstum, aber leider bleibt dieser Effekt beim Überimpfen nicht erhalten. Inzwischen bilden sich auch erste Myzelknoten, allerdings sind noch nirgendwo die für Champignons typischen dicken Myzelstränge aufgetreten.
Zum Glück erwiesen sich meine Nährböden als geeignet. Um auf Nummer Sicher zu gehen, hatte ich jeweils mehrere Kohlenstoff- und Stickstoffquellen kombiniert und mich für folgende Mischung entschieden:
Details zur Zubereitung bitte hier nachlesen:200ml H2O
2,5g Agar-Agar
20g geriebene Kartoffeln (ca. 4g TM)
4g Haferflocken (gemahlen)
2g Glucose
1g lösl. koffeinfreier Kaffee
1g Sojabohnen (gemahlen)
0,4g Hefeextrakt
0,2g Proteinpulver
0,05g Zitronensäure
viewtopic.php?f=69&t=4421&p=38028#p38028
Zwischendurch hatte ich aber mal testweise auf stinknormalen MEYA überimft und konnte feststellen, dass das Myzel zwar schwächer und weniger dicht war, aber es wuchs. Inzwischen kam es selbst dort zu stärkerem Wachstum und Knotenbildung, also kann man wohl davon ausgehen, dass hier doch kein besonderer Aufwand nötig ist.
Nun ein paar Fotos von heute: Das sind die ursprünglichen Petris. Die Nummer 1 links oben war die mit der Made, da hatte ich das Pilzstück nach einer Woche vorsichtshalber entfernt.
Ein Nachkomme der Nummer 7 auf MEYA.
Hier mal auf fast schon zu trockenem Agar.
Vor zwei Wochen aus der 2 überimpft.
Das war's erstmal. Ich hoffe, ich kann damit zukünftige Experimente erleichtern und werde weiter berichten, sobald irgendwo Rhizomorphen auftauchen.
LG, Carsten