Erste Schritte: Austernseitling

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mat.se
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Erste Schritte: Austernseitling

Beitrag von mat.se » Freitag, 11. Februar 2022 22:19

Moin,
nach gefühlt endloser Recherche, Überlegungen und Grübelei habe ich mir einen Sack Körnerbrut bestellt und das erste Austernmycel angesetzt. Ziel ist erste Erfahrung in unterschiedlichen Verfahren bzw Stufen der Pilzkultivierung zu sammeln.

In dem Thread möchte ich Erfahrungen und Gedanken dazu teilen und freue mich über Austausch :)

Arbeiten mit Petrischalen
Bisher habe ich nur Trockenübungen im sterilisieren von Petrischalen hinter mir, was suboptimal funktioniert hat.
Beim ersten Durchgang sind alle Petrischalen kontaminiert. Allerdings im Zeitraum von 2-4 Wochen bei Zimmertemperatur. Eine Fehlerquelle war der DDKT. Eine Weitere, den Druck zu schnell abzulassen (ja ich hab vorher gelesen...).
Inzwischen habe ich aus 3 gebrauchten DDKTen einen hoffentlich Funktionierenden beisammen und das mit dem Druck ablassen habe ich auch verworfen :) Dennoch tue ich mir schwer, ne gute Routine reinzubekommen. Das bisherige Verfahren ist wie folgt:
- aufkochen von Agar, Malzextrakt und Wasser
- gießen in Petrischalen
- sterilisieren der Petrischalen im DDKT
- beimpfen und verschließen der Petris mit Micropore

Mein Eindruck ist, dass beim Sterilisieren zu viel Wasserdampf in die Petrischalen eindringt. Auf den Bildern weiter unten ist viel Kondenswasser zu sehen. Zudem tue ich mir schwer damit, dass ich keine richtig sterile Arbeitsumgebung herstellen kann. Ich arbeite unter einer Art Haube, die ich auf eine Glasplatte stelle, als improvisierte ImpfBox. Die wird ausgenebelt und desinfiziert aber der begrenzte Platz und das Gefummel unter der Haube wirken noch ziemlich unbeholfen.
Ich vermute, ich muss dem Ganzen noch mehr Zeit zum Abkühlen lassen, kann mich noch an heiße Finger erinnern und meine, schon gelesen zu haben, dass ein langsames Abkühlen ein Faktor sein kann :)

Die aktuelle, zweite Charge ist zwar nicht übergekocht, wurde aber noch in der zweiten Version des DDKT sterilisiert. Trotzdem habe ich sie jetzt mit Körnerbrut beimpft. Da wird sich schon bald zeigen, ob die Körnerbrut allein auf dem Agar ist.

Körnerbrut
Einen Teil der Körnerbrut habe ich genutzt, um daraus in 3l-Eimern mehr Körnerbrut zu ziehen und damit die Eimer zu testen, die ich für sterile Ansätze vorgesehen habe. Die gekochten Roggenkörner scheinen eine gute Feuchtigkeit zu haben. Kondenswasser an den Rändern aber keins auf dem Boden. Und auch das Sterilisieren sollte in der dritten Version des DDKT nun hoffentlich funktioniert haben. Die Deckel der Eimer haben zur Belüfung Löcher bekommen. Unter dem Deckel klemmt auf ganzer Fläche Tyvek-Gewebe. Bisher habe ich nicht den Eindruck, dass das Substrat dadurch schnell austrocknet, allerdings ist die Lösung wohl aus einem anderen Grund suboptimal: dadurch dass das Tyvek den Deckel berührt, hält sich darunter Feuchtigkeit aus dem Sterilisationsprozess. Das behindert zum einen den Luftaustausch und könnte vermutlich auch den Stoff in seiner Funktion beeinträchtigen. Zudem sind die nach oben gerichteten Löcher Einfallstor für hinabschwebende Keime. Aktuell liegt ein weiterer Deckel ohne Löcher locker darüber. Die zweite Version der Eimer wird aber wohl etwas anders aussehen.
Aufgrund der Zeifel an meiner sterilen Arbeitsumgebung, habe ich mich nicht getraut, die Körnerbrut richtig einzumischen und zu doll schütteln wollte ich es auch nicht, um den Filter nicht zu verunreinigen. Ist jetzt eben ein TopSpwan-Ansatz geworden, scheint sich aber wohl zu fühlen und schön einzuwachsen.

Fruchtkörper
Den größten Teil der Körnerbrut habe ich auf pasteurisertes Stroh im 30l-Eimer gegeben. Auch hier wieder der Top-Spawn-Ansatz wobei ich da zusätzlich verunsichert bin, da bei unsterilem Substrat ja eine schnelle Besiedlung wichtig ist. Und da spielt eine gute Durchmischung ja ne maßgebliche Rolle.
Zudem habe ich noch etwas zu viel Feuchtigkeit im Eimer, die ich nach und nach über einen Stopfen am unteren Rand ablasse. Auch vermute ich, dass das Material stärker verdichtet gehört.

Naja alles Fragen, zu denen ich mir im Vorfeld noch mehr Gedanken machen hätte können, vielleicht sollen und ehrlich gesagt wäre ich überrascht, wenn das alles so hinhaut, aber letztendlich bin ich froh, dass der erste größere Schritt getan ist.

sterilisierter Agar-Nährboden in Petrischalen
Pet1.jpg
Pet2.jpg
Pet3.jpg
Unbekannte Konti auf unbeimpftem Nährboden
Petx.jpg
sterilisierte Körnerbrut zur Vermehrung
Deckel Eimer.jpg
Grain1.jpg
pasteurisiertes Stroh im 30L-Eimer
Bulk.jpg
mat.se
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Re: Erste Schritte: Austernseitling

Beitrag von mat.se » Freitag, 18. Februar 2022 18:24

Tag 7 nach dem beimpfen der Petrischalen:
Die Kulturen auf den Petrischalen scheinen mir gelungen. zumindest ist bisher keine Konti sichtbar und das Mycel breitet sich schneeweiß aus. Das beimpfen mit Körnern scheint also gut zu funktionieren, wenngleich das Mycel die Körner "unschön" umwuchert. Als nächstes steht dann ein Transfer von Agar auf Agar an. Ich denke ein kleineres Mycelstückchen, behutsam mittig platziert, liefert bessere Ergebnisse zur Einlagerung als die doch stark wuchernden Körner-Agar-Platten.
Auster Petri A.02.17.jpg
Auster Petri B.02.17.jpg
Auster Petri C.02.17.jpg
Die Körnerbrut wächst auch zügig durch und dürfte die nächsten 1-2 Wochen reif für den Transfer in Strohsubstrat sein. Die Lösung mit den Eimern scheint gute Bedingungen zu bieten. Ein bisschen wundert mich, dass meine Pi mal Daumen-Methode so gut Funktioniert. Habe wohl Anfängerglück :)
Auster Grain A.02.17.jpg
Auster Grain B.02.17.jpg
Auster Grain C.02.17.jpg

Tag8
Das Bulksubstrat hat jetzt gebraucht, um in die Gänge zu kommen. Da ich gelesen hatte, dass das Substrat in der Inkubation sehr viel CO2 abkann, habe ich Anfangs probeweise noch auf Lüftungslöcher verzichtet. Allerdings haben die fehlenden Lüftungslöcher und unzureichendes Abtropfen dazu geführt, dass sich Flüssigkeit am Eimerboden gesammelt hat. Insgesamt wohl zu wenig Sauerstoff für das Mycel. Es lag scheinbar regungslos da und tat nichts.
Um Abhilfe zu schaffen habe ich die eh für Belüftung und Fruchtung gedachten seitlichen Löcher gebohrt und mit Micropore verschlossen. Eins wurde zur Entwässerung an die Unterkante gesetzt und erst nach dem Abtropfen verschlossen.
Die Maßnahmen scheinen gewirkt zu haben, das Mycel breitet sich jetzt aus. Allerdings ist in dem weißen Eimer der Fortschritt leider nicht so schön zu beobachten. Vielleicht besorge ich mir zu Versuchszwecken mal ein transparentes Exemplar :)
Auster Bulk.02.18.jpg
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Re: Erste Schritte: Austernseitling

Beitrag von mat.se » Donnerstag, 07. April 2022 21:32

So, das mit den regelmäßigen Updates hat nicht so geklappt wie geplant. Weiter gegangen ist es trotzdem.
Mein derzeitiger Stand:

Arbeiten mit Petrischalen:
Das gießen steriler Petris klappt inzwischen recht gut. Aktuell kommen sie mir noch zu nass aus dem DDKT, da werde ich noch etwas rumprobieren müssen, was hilft. Aber allgemein habe ich bisher kaum Kontis auf den Petrischalen und bin positiv überrascht, wie gut das funktioniert. Das langsame Abkühlen hat jedenfalls einen spürbar großen Effekt, was das Kondenswasser angeht.

Körnerbrut:
Die Körnerbrut wurde in den Eimern wunderbar durchwachsen. Allerdings ließ sich der Mycelkuchen schlecht zerbröseln und bildete am Ende einen komapkten Block, welcher sich nur mit viel Gefühl zerbröseln ließ.
Da haben die Säcke einfach einen riesigen Vorteil. Ich werde mal versuchen, die Säcke wieder zu verwenden. Im DDKT sollten sie ja wieder steril werden, oder hat da schon wer andere Erfahrungen sammeln müssen?

Fruchtkörper:
Der erste Ansatz mit den ersten 30L heiß pasteurisiertem Stroh ist wie erwartet sehr langsam durchwachsen. An manchen Stellen haben andere Mikroorganismen übernommen. Ich habe den Ansatz trotzdem mal stehen lassen, da vielleicht doch ein paar Fruchtkörper zu erwarten sind.

Der zweite Ansatz folgte rund 4 Wochen versetzt. Es wurden 4 mal 30l kalt pasteurisiertes (Ca(OH)2-Methode) Stroh angesetzt. Dieses mal erfolgte die Beimpfung nach der Lasagne-Methode mit wechselnder Schichtung.

Nun sind etwa weitere 4 Wochen vergangen und alle 4 Eimer der 2. Generation scheinen soweit durchwachsen. Der erste Eimer ist wohl immer noch nicht so weit. Ich wollte jetzt aber nicht länger warten und habe vor ein paar Tagen alle zusammen in das Fruchtungszelt gestellt.

Links oben steht der erste Eimer ca 8 Wochen nach Ansatz
Bei den beiden unteren Eimern auf der linken Seite habe ich vor 2 Wochen bereits das Micropore gelöst, da der Geruch immer ganz leicht anaerob war. Scheinbar ein Fehler, denn die rechte Seite performt deutlich besser. Vermutlich ist um die Löcher das Substrat eingetrocknet.
IMG_20220406_203914.jpg
Bei näherer Betrachtung scheinen sich die Pilze ziemlich zu strecken. Ist das in dem Stadium normal oder sind das schon erste Anzeichen für CO2-Mangel?
Ich werde auf Verdacht den Reißverschluß einen Spalt offen lassen und weiter beobachten.
IMG_20220406_214956.jpg
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Re: Erste Schritte: Austernseitling

Beitrag von Bastboi » Mittwoch, 08. Juni 2022 19:04

Cooler Bericht, danke für die Eindrücke. Bin gerade am Anfang der Journey to Pilz und das ist tolle Inspiration :o
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Re: Erste Schritte: Austernseitling

Beitrag von mat.se » Samstag, 18. Juni 2022 18:46

Tach Bastboi, die Berichte enden zwar, die Versuche sind aber weiter gegangen. Bei Gelegenheit kann ich gern versuchen, noch einen Post mit Bildern bis zur ersten Erntewelle und einem kleinen Fazit zu verfassen. Wäre dann zumindest mal abgeschlossen. Ich finde es als Außenstehender oft sehr schade, wenn Berichte angefangen werden und dann plötzlich enden... eigentlich nicht mein Anspruch :)
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Re: Erste Schritte: Austernseitling

Beitrag von ohkw » Dienstag, 21. Juni 2022 07:15

Das nachträgliche Sterilisieren von Agarplatten wird normalerweise nicht gemacht, weil wie du beschrieben hast, das Ganze im Kondenswasser davonschwimmt.
Was bei mir in der Küche super funktioniert ist Agargießen mit dem Bunsenbrenner (Gaskartusche mit aufgeschraubten Brenner). Dazu steriliserst du zuerst die leeren Petrischalen zusammen mit dem Agar (Laborflaschen sind da gut weil sie viel aushalten, aber zur not tut es z.B. auch ein Cocktail shaker) für ca 40 min. Dann kommt der DKT von der Herdplatte und kühlt erstmal bis der Druch weg ist. Dann kommen die Petrischalen (Ich verpacke die in einem Polypropylen Eimer abgedeckt mit Alufolie) aus dem DKT. Den Agar selber lasse ich noch eine Weile im wieder verschlossenen DKT, dann sind die Petrischalen kühl genug dass man sich beim Gießen nicht die Finger verbrennt. Den Agar lasse ich auf ca 55-65°C abkühlen (bei 50°C wird er fest). Das lässt sich mit einem Fernthermometer bequem feststellen. Das eigentliche Gießen erfolgt dann neben dem brennenden Bunsenbrenner, die Flamme sorgt nämlich für einen sterilen Luftstrom in einem Bereich um den Brenner herum. Platten kurz öffnen gießen und übereinander stapeln. Durch des Stapeln kühlen die Deckel nicht als erstes aus, und es bildet sich viel weniger Kondenswasser. Den Agar nicht zu heiß zu gießen spart auch viel Kondenswasser.

Im Prinzip in der Art, nur mit Brenner statt steril Workbench:
https://www.youtube.com/watch?v=7KDX24HiAs0

Das gießen direkt im Stapel geht mit Glas Petrischalen nicht so leicht wie mit Plastik, weil sie schwerer sind. 4 Stück übereinander geht aber auch da bequem.
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