Hi.
Da ich die Frage aus eigenem Wissen nicht zufriedenstellend beantworten konnte, hab ich mal ein bischen in der Literatur nachgeschlagen.
Jolanda Engelbrecht [1] schreibt (in Bezug auf Champignonsubstrat):
[...] Allerdings enthält der Pferdemist allein zuwenig Stickstoff, um eine wirklich gute Champignon-Ernte hervorzubringen. Deswegen wird ihm Hühnerkot, Stikcstoffdünger oder ähnliches zugesetzt. [...] Ist kein Hühnerkot erhältlich, nimmt man stattdessen etwa 7 Gew.-% schwefelsaures Ammoniak,[...]. Die darin enthaltene Schwefelsäure muss aber durch Zugabe von Futterkalk gebunden werden. Man braucht je m³ etwa 3 Kg Kalk. Ausserdem sollten je m³ auch 10 Kg Gips zugemischt werden, der sich auf Säuregrad und Struktur der Nährgrundlage positiv auswirkt.
Das Buch ist von 1987 und vermutlich hat sie das von Jan Lelley abgeschrieben, der fast wortwörtlich dasselbe schreibt, allerdings in einem Buch von 1978 [2]. Dort schreibt er weiterhin in Bezug auf die Brutherstellung:
Durch die Gipszugabe wird das Zusammenkleben der Körner verhindert, während der Kalk die chemische Reaktion der Brut reguliert.
Abgesehen davon, dass ich die Aussage mit der chemischen Reaktion etwas schwammig finde, kann ich aus eigener Erfahrung das mit dem Zusammenkleben nicht bestätigen, bei mir ist eher das Gegenteil der Fall. Dennoch scheint sich Lelley da wohl ziemlich sicher zu sein, denn in einem anderen Buch [3] macht er die gleiche Aussage:
Gips verhindert das Zusammenkleben der Getreidekörner, Schlämmkreide reguliert den pH-Wert der Brut.
In Bezug auf Substrate schreibt er im gleichen Buch:
[...] Schwefelsaures Ammoniak wird auch manchmal als Zuschlagstoff gebraucht, doch man muss die Schwefelsäure durch Kalkzugabe binden. Das Verhältnis zwischen schwefelsaurem Ammoniak und Kalk sollte 1:3 betragen. Nachteilig ist, daß bei dieser Kombination der pH-Wert des Substrates sich oft im basischen Bereich stabilisiert. Sehr gut eignet sich schliesslich Kalkammonsalpeter, wobei hier Gips gegeben werden sollte, um den durch Ammoniakbildung start angestiegenen pH-Wert von etwa 9 auf 8 bis 8.4 herunterzudrücken.
[...]
Üblich ist die Verwendung von Kalk (CaCO3) sowie Gips (CaSO4 * 2 H2O). Die Ergänzungsstoffe haben keinerlei Nährmittelrolle im Champignonsubstrat, aber sie beinflussen die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Mischung. [...] Aus einschlägigen Untersuchungen wissen wir, daß der Kalkzusatz im SUbstrat strukturverbessernd wirkt, Obwohl der Kalk zunächst im Waaser der Substratmischung vollständig gelöst und dadurch gleichmässig verteilt wird, kann manbereits einige Tage später Kalk-Mikrokristalle nachweisen. Die Mikrokristalle werden gleichmässig im Substrat verteilt, und ise bleiben bis zum Ende der Phase I der Fermentation erhalten. Der Kalkzusatz löst auch noch eine Ausflockung (Koagulation) der ursprünglich gestaltlosen (amorphen) Kotbestandteile aus, so daß im Ergebnis eine luftdurchlässigere, trockener wirkende Substratmischung entsteht. Auch der Gips geht zuerst in Lösung, kristallisiert später jedoch z.T. aus. Die Rolle des Gipses im Substrat wird in einem ph_wert-neutralisierenden und strukturverbessernden Effekt gesehen, obwohl aus den oben erwähnten Untersuchungen hervorgeht, daß der Gips-Einfluß hinsichtlich der Strukturauflockerung des Substrates erheblich kleiner ist als der von Kalk.
Offenbar ist Stamets [4] da etwas anderer Meinung und bestätigt damit das, was auch Oliver schrieb, nämlich daß der Gips durchaus auch eine Rolle als Nährstoff spielt (Gips = Kalziumsulfat; Kalk = Kalziumcarbonat), genauer gesagt der im Gips enthaltene Schwefel, wohingegen die PH-Wert-Regulierung lediglich in der Anfangsphase eine gewisse Rolle spielt, dann aber vom Myzel selbst reguliert wird, welches sich bei optimlaer Nährstoffgrundlage (also in Anwesenheit von Schwefel) deutlich stärker ausbildet als ohne. Das Kalzium hingegen scheint eine wichtige Rolle bei der Photosensitivität beim Shitake-Myzel bei der Bildung von Primordien zu spielen.
Raskaa (1990) found that the use of calcium sulfate (gypsum) stimulated mycelial growth of Shiitake in a lquid media supplemented with sawdust. The calcium sulfate did not, by itself , significantly affect pH at makeup. However, mycelial growth was stimulated by its addition, and there was a corresponding precipitous decline pH and a fourfold increase in biomass versus the controls.
[...]
Leatham and Stahlman (1987,1989) conducted trials with Shiitake on chemically defined media, which showed that the absence of calcium made the mycelium unresponsive to light stimulation and primordia failed to form.
[...]
Calcium carbonate is used to offset the acidity of the peat moss and should be adjusted according to desired pH levels. Calcium sulfate, a non-pH affecting salt, provides looseness (particle separation) and mineral salts, especialy sulfur and calcium, essential elements for mushroom metabolism. [...] Gypsum (calcium sulfate) may affect pH by half of a point initially. Its pH-altering ability is minor until the sulfur evolves into sulfuric acid.
OK, soviel dazu, wie es scheint sind sich die Fachleute nicht ganz einig darüber, wie sich Kalk und Gips nun wirklich im Detail auswirken, obwohl sich andereseits dennoch im Ansatz gewisse Übereinstimmungen zeigen.
Die Differenzen sind möglicherweise dadurch zu erklären, dass die verschiedenen Statements zu verschiedenen Zeiten verfasst worden sind, d.h., während Lelley im Jahre 1976 noch keine wichtigen Nährstofffunktionen sieht, bezieht sich Stamets auf Erkenntnisse die erst Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre veröffentlicht wurden.
Was die pH-Funktionalität betrifft, so mag es sich dabei um relative Bewertungsunterschiede handeln. Stamets misst selbiger beim Gips keine große Bedeutung zu, räumt aber dennoch eine anfängliche pH-Änderung um einen halben Punkt ein, welche er aber als nicht-signifikant betrachtet.
Das mit der Signifikanz ist so eine Sache, einerseits scheint ein halber Punkt nicht viel zu sein, andererseits ist die pH-Skala aber eine, die sich exponentiell/logarithmisch entwickelt, d.h., gesprochen in Anzahl Protonen bedeutet eine Änderung um einen halben Punkt eine Änderung um eine halbe Größenordnung also etwa das 5-fache (also 500% !) vom Vorherigen.
Soweit meine 5 cents dazu (alle Angaben ohne Gewähr

), ich bin kein Chemie-Experte, aber vielleicht kan uns ja Gerald noch was näheres dazu sagen.
gruss, oliver
PS : Achso, hier noch die Bücher aus denen die Zitate stammen:
[1] Englbrecht, Pilzanbau in Haus und Garten
[2] Lelley, Pilze aus dem eigenen Garten
[3] Lelley, Pilzanbau
[4] Stamets, Growing Gourmet and Medicinal Mushrooms