Unsterile Pilzzucht

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Beitrag von Mycelio » Dienstag, 10. Juni 2008 01:58

Hallo,

war mal so frei, die Beiträge über Fertignährböden von Lauscher und Pilzimperium in einen eigenen Thread zu verschieben, wegen besserer Auffindbarkeit.

Grüße, Carsten
w_ciossek
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von w_ciossek » Freitag, 05. Februar 2010 13:02

Hallo Pilzgemeinde,
Fermentiertes Substrat ist nach meiner Ansicht auch unsteril, wird aber oft als halbsteril bezeichnet, weil nur ein unschädlicher Mikroorganismus sich im Substrat breit gemacht hat und andere Mikrorganismen nur schlecht Fuß fassen. Ich habe Vollkornmehl mit viel Wasser verrührt und einige Tage in verschlossen Flaschen gären lassen. Danach wurde der Verschluß leicht gelockert damit das CO2 entweichen kann. Nach einem Monat wurde die leicht trübe Flüssigkeit dekantiert. Sie schmeckt übrigens besser als Brotdrunk und man kann damit die Darmbakterien sanieren. Mit dieser sauren Flüssigkeit, welche mit Wasser verdünnt wird, werden trockene Strohpellets, Buchenholzspäne etc befeuchtet und restliches Wasser mit einer Kartoffel- oder Spätzlepresse ausgepreßt und dann mit Pilzstücken beimpft.
Es ist dann so, als hätte man das Substrat fermentiert. Ich habe alle Seitlingsarten (Austern-, Kastanien-, Flamingo-, Zitronenseitling etc.), Pholiota nameko und Shiitake damit kultivieren können, wobei allerdings gut gelüftet werden muß, weil die Milchsäurebakterien den Pilzen das O2 rauben und die CO2-Hülle das Mycelwachstum bremst. Mit diesen Ansätzen hatte ich gute Erfolge und sie sind energie- und kostensparend.
Falls ich Substrate ohne jegliche Behandlung benutzte, z.B. frisches Stroh oder Buchenstreu,
dann war es eher ein Glückssache, wenn ein Zuchtpilz Fuß fassen konnte. So konnte ich Shiitake in leicht feuchten, fast trockenen Buchenholzspänen züchten, indem ich die Pilzstiele dort eingebettet hatte. So bildete sich Luftmycel, welches sich schnell durch die kleinen Hohlräume ausbreitete. Oftmals bildete sich aber auch etwas Schimmel, aber der Shiitake kann ihn manchmal verdauen. Diese Form der Pilzzucht habe ich aufgegeben, da doch zu viel im Eimer landet.

Gruß Wolfgang
kalle
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von kalle » Freitag, 05. Februar 2010 17:25

Hallo Wolfgang,
dein Beitrag gibt mir wieder Mut, meine unsterile Pilzzucht mit fermentiertem Substrat weiterzuführen. Du schreibst unter anderem, dass fermentiertes Substrat mehr Luft brauch als anderes. Blöde Frage: Wie belüftest du dein Substrat, ohne dass Trauermücken dazukommen. Interessant ist auch, dass bei dir das Durchtränken von Holzbriketts oder Chips mit fermentierter Flüssigkeit ausreicht, um Holzbriketts vor Schimmel zu schützen. Mycelio schreibt in einem anderen Thread, dass bei ihm fermentierte Substrat mit Holzbriketts immer schimmelt. Bei mir klappts manchmal, manchmal nicht. Kann es daran liegen, dass dein Ferment (Vollkornmehl 4 Wochen vergärt) anders ist als unseres (Strohpellets 2 Wochen vergärt). Müsste eigentlich immer Milchsäure ergeben? Ev. andere Konzentration oder PH-Wert? Hast du eine Erklärung?
Danke und Gruß
Kalle
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von Mycelio » Freitag, 05. Februar 2010 18:26

Toller Beitrag Wolfgang!
Ich hoffe, du hast das vergorene Vollkornmehl nicht entsorgt. Die Hefen und Milchsäurebakterien hatten es ja zu 1A Sauerteig gemacht. Wenn man damit weiteres Mehl beimpft und etwas Salz zugibt, kann man Brote backen, die jeden Bäcker vor Neid blaß werden lassen.
Wie lange gärte dein Mehl eigentlich? Bei mir ist da nach maximal zwei Wochen Schluß mit den CO2-Geblubber, selbst bei ganzen Körnern. An dem Punkt ist dann der PH-Wert soweit abgesunken, daß die Mikroben ihre Arbeit einstellen.

@Kalle
Der Unterschied liegt in der Menge der Stärke und anderer Kohlenhydratre. Dadurch kann die Gärung bei Getreide und Mehl umfassender ablaufen und der PH-Wert sinkt - wie du vermutest - auf Werte zwischen 3 und 4, während ich bei Stroh Werte zwischen 5 und 6 messe. Da die PH-Skala logarithmisch aufgebaut ist (eins weniger bedeutet da zehnmalsoviel Säuremoleküle) hat man verglichen mit Stroh ungefähr die hundertfache Menge an Milchsäure.

Ich muß das mal mit meinen schimmelverseuchten Briketts testen. Hier war das Gärwasser vom Stroh definitiv zu schwach.

Grüße, Carsten
bishop
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von bishop » Dienstag, 09. Februar 2010 09:23

den fred hier abonnier ich mal zum mitlesn.
w_ciossek
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von w_ciossek » Mittwoch, 10. Februar 2010 11:45

Hallo Pilzfreunde,
Ich benutze den fast klaren Sauerteigsaft oft auch als Starter einer Milchsäuregärung und wegen des hohen Milchsäuregehalt und der hohen Bakteriendichte denke ich, daß dadurch das Substrat halbsteril wird. Die Gärungzeit ist auch ca. ein bis zwei Wochen je nach Temperatur. Bei vierzig Grad (über der Heizung) dauert es nur eine Woche.
Die beimpften Substrate werden extrem locker in durchsichtigen Müllbeuteln untergebracht und verschlossen. Der große Zwischenraum im Substrat sorgt für eine gute Belüftung und zur Bildung von reichlich viel Luftmycel. Den Beutel öffne ich täglich einmal um Frischluft hineinzufächeln. Ich hatte dabei nie Schimmel. Wenn das Substrat durchwachsen ist, erst dann forme ich daraus einen Block. Ich denke, daß bei einer Fermentation von Substrat erst dann abgeschlossen ist, wenn ein bestimmter ph-Wert erreicht wird. Wenn man also lang vergorenen Sauerteigsaft nimmt, und damit das Substrat durchspült, ist dieser ph-Wert dann bereits erreicht, weswegen das Substrat dann kaum noch nachgärt. Allerdings ist das Substrat nach dem Pressen mit der Kartoffelpresse auch nur noch sehr leicht feucht, eigentlich fast trocken, und so weiß ich nicht, ob es noch nachgärt. Aber die Pilze mögen das halbtrockene Substrat und bilden gutes Luftmycel auf der Oberfläche und in den Zwischenräumen aus.
Ich denke auch, daß CO2 und niedriger ph-Wert den Schimmel unterdrückt, weil bei einem Versuch mit Essig zwar der ph-Wert klein war, aber mangels CO2 gab es dann doch Schimmel. Nicht zu vergessen, daß auch die Bakterien durch Verdrängung das Ansiedeln anderer Organismen erschweren.
Allerdings hemmt CO2 auch das Mycel der Kulturpilze, die oft mit einen sehr dichten aber langsam wachsenden Mycel darauf reagieren.

Der vergorene Sauerteig wird natürlich nicht entsorgt. Da ich Milchprodukte und Fleisch nicht vertrage, nehme ich es anstelle von saurer Sahne und mache daraus Soßen oder Salatsoßen.

Gruß Wolfgang
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von Mycelio » Mittwoch, 10. Februar 2010 22:52

Hallo Wolfgang,

neben Milchsäure und CO2 haben die lieben kleinen Milchsäurebakterien auch noch weitere Waffen gegen Schimmel, nämlich Antibiotika und Wasserstoffperoxid.

Eine Frage noch, verstehe ich das richtig, daß du frische Strohpellets in Gärwasser einweichst, auspreßt, beimpfst und in das Substrat dann in geschlossenen Beuteln durchwächst, die nur ab und zu mal gelüftet werden?

Grüße, Carsten
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von tim1000 » Freitag, 12. Februar 2010 19:53

den fred hier abonniere ich mal zum mitlesen.
Sehr Interessant bei euch :!:
Hagen
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von Hagen » Sonntag, 14. März 2010 14:14

Ich hatte vor 8 Wochen Austernseitling auf Pappe probiert, angewachsen waren die Stückchen auf Pappe mit Malzbier, Küchenpapier mit Malzbier und nur nasse Pappe (mit kochenden Wasser überbrüht) hatten nicht funktioniert. Vielleicht hatte ich auch zu wenig gelüftet. Die beiden funktionierenden Ansätze habe ich schön löffelweise mit Kaffeesatz aufgeschichtet, jetzt sind die Gläser fast voll. Wie kann ich jetzt weitermachen? Kann ich das durchwachsende Substrat (ist ziemlich fest) mit einem Löffel rauskratzen und in einem größeren Gefäß weiterfüttern oder soll ich lieber nichts riskieren und die Gläser mit Kältereiz (reicht eine Nacht im Kühlschrank ?) zum Fruchten bringen?

Gruß

Hagen
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von Mycelio » Sonntag, 14. März 2010 15:23

Hallo Hagen,

ich würde in größeren Gefäßen weitermachen, also das Substrat mit dem Mycel rauslöffeln, zerbröseln und 1:1 mit frischen Material mischen. Meine Austern lasse ich erst fruchten, wenn ich ein paar Liter zusammenhabe.

Den Kältereiz benötigen nur die wilden Austern aus dem Wald. Solltest du gekaufte Pilze vermehrt haben, fruchten sie auch so.

Grüße, Carsten
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von Hagen » Montag, 15. März 2010 20:58

Ein Glas hab ich vorhin mal rausgelöffelt, zerkrümelt und mit frischem Kaffeesatz vermischt. Was mir auffiel war, dass das Substrat recht trocken wirkte, ich hab damit keine Erfahrung und so sehr viel anfassen wollte ich nicht, man kann unsteril auch übertreiben :-)Ist das normal? Kaffeesatz ist ja eigentlich schon recht feucht und der Ansatz war in einem Schraubdeckelglass, das Wasser kann eigentlich schlecht raus und beim Stoffwechsel wird ja auch Wasser frei. Der Geruch war sehr angenehm pilzig.

Gruß

Hagen
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von Mycelio » Mittwoch, 17. März 2010 19:06

Kann gut sein, daß es trockener wirkt, als es eigentlich ist. Solange das Mycel kräftig wächst, besteht kein Grund zur Sorge.

Grüße, Carsten
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von Reblaus » Freitag, 08. April 2011 19:14

Hallo Leute,

ich experimentiere auch gerade mit Milchsäuregärung und habe nun diesen Thread entdeckt.
Ich habe Vollkornmehl mit viel Wasser verrührt und einige Tage in verschlossen Flaschen gären lassen. Danach wurde der Verschluß leicht gelockert damit das CO2 entweichen kann. Nach einem Monat wurde die leicht trübe Flüssigkeit dekantiert. Sie schmeckt übrigens besser als Brotdrunk und man kann damit die Darmbakterien sanieren. Mit dieser sauren Flüssigkeit, welche mit Wasser verdünnt wird, werden trockene Strohpellets, Buchenholzspäne etc befeuchtet und restliches Wasser mit einer Kartoffel- oder Spätzlepresse ausgepreßt und dann mit Pilzstücken beimpft.
Gibt es zu diesem Punkt neue Erkenntnisse? Ich habe noch einen 5 Liter Weinballon rumstehen und könnte das gut testen. Da könnte man bestimmt in einem Schwung 6 kg Substrat (feucht) herstellen. Als Starter würde ich einen Sauerteig nehmen.

Gruß Reblaus
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von Bettina » Donnerstag, 05. Januar 2012 10:06

ich kann nur zu Sauerteig bisschen was sagen (vom Brotbacken her) die Sauerteigstarter, die Du so kaufen kannst sind nicht sehr stark, auch damit muss man um gescheiten guten Sauerteig zu bekommen mindestens ne Woche für Brot mit etwas Volkornmehl (Roggen am besten) und dem gewünschtem Mehl ansetzen. Temperatur so ca. 35 - 40 grad.
Erst wenig und dann immer mehr Mehl unterrühren und weiter füttern, wenn es blubbert.

so einen Sauerteigansatz konnte ich im Kühlschrank (unabgedeckt) und völlig unsteril über 6 Monate rumstehen lassen, ohne dass da was geschimmelt hätte oder es verdroben wäre-
Es schimmelte nur oben auf der ganz eingetrockneten Schicht. Das Feuchte drunter war noch völlig unbesiedelt.
Also guter Sauerteig kontaminiert wirklich ganz schwierig und hält wohl alles andere Zeug sehr zuverlässig ab. (Aber ich frage mich, ob er das gewünschte Pilzmyzel nicht auch abhält).
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Re: Unsterile Pilzzucht

Beitrag von geriull » Montag, 06. Januar 2014 09:01

Hallo an Alle!

In der Zwischenzeit seit der Erstellung dieses Threats von Carsten sind schon einige Tage vergangen und Eure Erfahrungen bezüglich unsteriler Zucht sind gewachsen.

Ich würde Euch bitten hier Eure Endergebnisse zu posten. Als Ergebnissammelseite sozusagen. :mrgreen:

Vielen Dank! :D

Geri
Hoi,... meine alte Signatur funkt nimma....kommt sicher mal wieder eine neue!
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