
Ich habe mir übers Wochenende vorgenommen, aus gegebenem Anlass (Braunfäuleerreger gesucht) die wichtigsten Stellen von Lelley, Pilzanbau, zum Thema "Ligninabbau und Celluloseverwertung durch den Austernpilz" zu zitieren. Wer das Buch selbst besitzt, kann ja gleich selbst dort nachschlagen, aber für die anderen, die das Buch nicht besitzen, sind diese Infos möglicherweise hilfreich, zumindest aber interessant.
Wie immer ist Lelley eine ausgezeichnete Quelle, voller Details, die man sonst nur in wissenschaftlichen Publikationen findet - Artikel, die man erst mühsam zusammensuchen müsste.
Einfach nur abschreiben darf ich den entsprechenden Abschnitt von Lelleys Buch aus copyright Gründen nicht. Aber ich darf einen kurzen Beitrag zum Thema mit eigenen Worten verfassen und es ist erlaubt, wichtige Stellen dazu aus dem Buch mehr oder weniger ausführlich zu zitieren.
Also:
(Alle Zitate von Lelley sind durch Zitat gekennzeichnet. Der Rest ist von mir bzw. eine Kurzfassung von mir des übrigen Textes von Lelley.)
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Austernpilze sind nicht wie Champignons Sekundärzersetzer, die von anderen Organismen teilweise schon abgebautes Substrat besiedeln (z.B. mit Stroh kompostierter Pferdemist), sondern sie wachsen auf organischen Materialien im ursprünglichen Zustand, es handelt sich zumeist um abgestorbenen Pflanzenmaterial; Lelley nennt dieses vorwiegend pflanzliche Material "Pflanzenreststoffe"."Austernpilze sind typische Vertreter der Primärzersetzer. Sie besiedeln Pflanzenreststoffe in ihrem ursprünglichen, originären Zustand ..."
Es ist nun wichtig, dass man sich klar macht, dass das Lignin z.B. im Holz oder im Stroh nicht schön getrennt von der Cellulose vorhanden ist, sondern dass Lignin und Cellulose fast immer gemeinsam auftreten (Ausnahme: Baumwolle ist fast reine Cellulose)."Der Hauptbestandteil der pflanzlichen Reststoffe sind Cellulose und Lignin. Sie gelten weltweit als die häufigsten unter den organischen Stoffen."
Die Cellulose wäre eigentlich (für viele Mikroorganismen) leicht abbaubar. Doch wenn die Cellulose mit Lignin inkrustiert ist, sind die meisten Organismen nicht zum Abbau in der Lage."Das Lignin, ein amorphes Mischpolimerisat aus Phenylpropankörpern, ist stets in Verbindung mit Cellulose und Hemicellulose vorhanden. Dieser Komplex wird Lignocellulose genannt."
Wieder einmal sieht man, welch ausgezeichnete Quelle Lelley ist: in fast allen Quellen zum Thema werden zwar Weiß- und Braunfäulepilze erwähnt, aber von den Moderfäulepilzen hört man nur selten."Es sind hauptsächlich die Weiß-, Braun- und Moderfäulepilze, die diesen Komplex spalten können, wobei der Ligninabbau vornehmlich von den Weißfäulepilzen erledig wird."
Weißfäulepilze heißen so, weil sie das Lignin (= den dunklere Anteil im Holz) abbauen, und deshalb weißes Holz zurücklassen, das aus der nicht abgebauten Cellulose besteht.
Braunfäulepilze heißen so, weil sie die Cellulose (= den hellere Anteil im Holz) abbauen, und deshalb dunkles Holz, bzw. dunkle Brösel, zurücklassen, die dann das nicht abgebaute Lignin enthalten.
Lelley erklär dann, dass das Lignin als Stickstoffquelle (N) für die Austernpilze dient. Fehlt dem Substrat N, dann holt sich der Austernpilz diesen N aus dem Lignin."Der Ligninabbau erfolgt, je nach Pilzart, entweder Zug um Zug mit dem Celluloseabbau (synchron) oder bevorzugt (selektiv), d.h. es wird viel mehr Lignin als Cellulose zersetzt."
"Selektive Ligninabbauer sind u.a. auch die Austernpilze. Es stellt sich aber die Frage, warum sie sich so verhalten."
Ist aber genügen Stickstoff im Medium vorhanden, dann wird rasch auch Cellulose und Hemicellulose verwertet !"In einschlägigen Untersuchungen mit anderen Weißfäulepilzen (Flacher Lackporling - Ganoderma applanatum) auf Holzunterlage (Birkenholzmehl) stellte sich heraus, dass die Intensität des Ligninabbaus von der Stickstoffkonzentration im Medium abhängig ist. Je kleiner der Stickstoffgehalt, umso größer war die lignolytische Aktivität."
"Während aber Stickstoffmangel den Ligninabbau fördert, hemmt er den Celluloseabbau."
Man lasse sich hier nicht verwirren:"Cellulose und Hemicellulose dienen übrigens auch als wichtige Kohlenstoffquelle für Austernpilze. Dagegen kann das Lignin von ihnen als alleinige Kohlenstoffquelle nicht verwertet werden."
Unterschied Stickstoffquelle (N) - Kohlenstoffquelle (C):
Lignin Stickstoffquelle - Cellulose Kohlenstoffquelle.
(Genauer: Lignin Stickstoffquelle und ev. auch Kohlenstoffquelle - Cellulose nur Kohlenstoffquelle.)
Austernpilze können Lignin als Stickstoffquelle und auch als Kohlenstoffquelle verwerten; allerdings reicht anscheinend Lignin als alleinige Kohlenstoffquelle nicht aus sondern es muss auch Cellulose oder eine andere Kohlenstoffquelle vorhanden sein.
Je weniger N eine bestimmte Holzart enthält, umso mehr ist der Pilz darauf angewiesen, sich den N aus dem Lignin zu holen. Er kann dann die ebenfalls verwertbare Cellulose nicht restlos abbauen, denn dazu müsste mehr N im Holz vorhanden sein. Folge: der Pilz läßt große Teile der Cellulose zurück: es handelt sich um einen Weißfäulepilz. Eine Holzart mit sehr wenig N ist z.B. Pappelholz, das nur 0,04 % N (Stickstoff) enthält, das zu 50% an das Lignin gebunden ist."Aus den Untersuchungen der vorgenannten Wissenschaftler wissen wir, dass der selektive Ligninabbau mancher Weißfäulepilze gerade darin begründet ist, dass im Nährboden Stickstoffmangel herrscht. Kaum gaben sie einer Holzprobe, in der das Lignin schon fast vollständig abgebaut war, eine Stickstoffquelle zu, setzte rasch auch der Celluloseabbau ein."
Man kann sich also als Faustregel merken, dass der Austernpilz ein Weißfäulepilz ist (vorwiegend Lignin abbaut), solange nur wenig N im Substrat (Holz, Stroh, ...) vorhanden ist, aber dass Austernpilze auch Cellulose gern, gut und schnell verwerten, falls ausreichend Stickstoff vorhanden ist.
(Zusätzliches Info: In Stamets "The mushroom cultivator" gibt es eine mehrere Seiten lange Liste, die für viele bekannte Naturstoffe die Verteilung von P, N, Protein, Trockenmasse, usw. ... auflistet. Z.B. für viele Stroharten, Gräser, Heuarten, Futterarten, Konzentrate (Malzextrakt, Apfelpulpe, Blutmehl, ...), Kornarten, Bohnenarten, ... usw.)
Dann folgt die recht interessante Bemerkung Lelleys, dass der Austernpilz sich besonders schnell auf solchen Nährböden entwickelt, bei denen niedermolekulare mit hochmolekularen Komponenten vermischt vorkommen, also z.B. niedermolekulare Zucker (Glucose, Maltose, Stärke) und hochmolekulare Komponenten (Cellulose, Hemicellulose, Lignin). Auf Nährböden mit nur einer Kohlenstoffquelle wächst der Austernpilz nicht so schnell wie auf Nährböden mit mehreren Komponenten. Auch eine Mischung aus niedermolekularen Kohlenstoffquellen löst üppiges Myzelwachstum aus. Und:
------------"Es wird aber vermutet, dass Zucker mit weniger als fünf C-Atomen für Austernpilze als Kohlenstoffquelle ungeeignet sind."
So, das waren die wichtigsten Stellen zum Thema. Die originale Stelle im Buch ist etwas ausführlicher und genauer, man beschaffe sich nötigenfalls das Original.
Schöne Grüße an alle,
Andre.