als ich letzten Frühling Infos über Austernpilzsubstrate suchte, las ich ab und zu davon, daß man Stroh auch unter Wasser fermentieren könne, um es als Pilzsubstrat vorzubereiten. Angeblich solle das Stroh dann besser bewachsen werden und vor Schimmel geschützt sein. Leider waren die Hinweise nur dünn gesät, über Mindestmengen und Temperaturen war gar nichts zu finden und die Zeitangaben schwankten zwischen wenigen Tagen und zwei Wochen... Seitdem koche ich mein Strohsubstrat ab.
Vor ein paar Wochen habe ich dann mal ein paar Experimente bzgl. Vergärung von Strohsubstrat mit verschiedenen Zusätzen begonnen. Mein Ziel war es, das Substrat von Mikroben besiedeln zu lassen, die einerseits Schimmel unterdrücken, andererseits aber das Speisepilzmycel nicht behindern. Daher habe ich auf Sterilisierung oder Pasteurisierung des fertigen Substrats verzichtet. Um bei Fehlschlägen nicht so viel entsorgen zu müssen, habe ich erstmal nur kleine Substratmengen getestet. Da die ersten Ergebnisse recht vielversprechend aussehen, möchte ich sie euch mal vorstellen.
OK, das war's erstmal für heute. Ich versuche noch herauszubekommen, welche Organismen da am Werk sind. Momentan vermute ich Milchsäurebakterien. Sobald ich mehr erfahre oder sich sonst was tut, werde ich es hier posten, bzw. einarbeiten.
Grüße, Carsten
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Die Methode:
In einem 400ml-Glas wurde Substrat mit kaltem Wasser übergossen, so daß alles von Wasser bedeckt war und dann das Ganze bei 17 - 19°C stehen gelassen. Belüftung ist nicht nötig, jedoch wurde der Deckel nur locker aufgelegt, damit entstehende Gase entweichen können. Besser man füllt das Glas nur zur Hälfte, denn das Substrat neigt dazu, überzuschäumen.
Als Zusätze zu den Strohpellets kamen zuerst getrocknete, kleingeschnittene Luzerne und dann getrockneter Kaffeesatz zum Einsatz, später auch Kalk und Gips. In einem neuen Versuch für Champignons noch weitere Zusätze, siehe unten (Ansatz 5). Hauptanteil war immer Stroh, Luzerne bzw. Kaffee wurden zu max. 30% zugesetzt, Kalk und Gips nur zu kleinen Teilen, jeweils ca. ein halber Teelöffel.

Der biologische Hintergrund:
Scheinbar fägt alles pflanzliche Material, das Kohlenhydrate und genug Wasser enthält, von selbst an zu fermentieren. Der ganze Prozeß kann sowohl in Anwesenheit, als auch Abwesenheit von Sauerstoff ablaufen. Je nach Bedingungen vermehren sich andere Arten von Bakterien und Pilzen, bauen die einfach zugänglichen Nährstoffe ab und reichern ihre Stoffwechselprodukte im Substrat an. Oft sind es einfache Carbonsäuren (Ameisensäure, Essigsäure, Buttersäure, ...). Wenn genügend Material zusammenkommt und Sauerstoff verfügbar ist, erhitzt sich das Gärsubstrat so stark, daß die ursprünglich aktiven Mikroben absterben und andere Arten ihren Platz übernehmen. In dieser heißen Phase können auch Zellulose und Lignin abgebaut werden. Bei günstigen Bedingungen kann sich das Substrat noch weiter erhitzen, bis auch die wärmeliebenden Arten absterben. Chemische Reaktionen heizen dann noch kurz weiter, bis die Temperatur wieder sinkt und das Gärsubstrat sterilisiert ist.
Allem Anschein nach sind bei den hier vorgestellten Versuchen hauptsächlich Milchsäurebakterien am Werk. Sie verbrauchen einfach zugängliche Kohlenhydrate und reichern das Ganze mit Milchsäure an. Unter Wasser wird auch der Sauerstoff schnell verbraucht. Die Milchsäuregärung läuft dann anaerob ab. Schimmelpilze finden unter diesen Bedingungen kaum Nahrung und können bei niedrigem PH ohne Sauerstoff nicht wachsen.
Weiterführende Wikipedia-Links:
Fermentation
Gärung
Kompostierung
Silage
Sauerteig
Milchsäuregärung
Der Ablauf:
Beim ersten Versuch kam die Gärung nach fünf Tagen von selbst in Gang, sichtbar durch viele kleine aufsteigende Gasblasen. Spätere Versuche, die mit dem Gärwasser fertiger Ansätze beimpft wurden, gärten schon am darauffolgenden Tag.
Der Geruch war anfangs noch angenehm, leicht fruchtig. Nach ein paar Tagen wurde es unangenehmer, manchmal auch etwas fischig. Fertiges Substrat roch eher würzig, nach Sojasoße.
Durch die Luftblasen steigt das Gärgut leider nach oben und bildet eine schaumige Schicht. Da diese sich immer mehr aufbläht, sollte täglich umgerührt werden. Dadurch sinkt auch die Gefahr von Schimmelbildung auf der Oberfläche.
Jeweils nach zwei Wochen hörte das Blubbern auf, das Substrat wurde in ein Sieb geschüttet, ausgepreßt und noch ein paar Tage auf der Heizung gelagert.
Richtig übler Geruch nach erbrochenem, faulen Eiern oder Kläranlage zeigt einsetzende Fäulnis an. Dann sollte der Ansatz entsorgt werden.
Tests und Ergebnise:
Getestet wurde u.a. mit einem Austernpilzstück. Ein Teil von einem Pilzstiel wurde einfach auf fertiges, unbehandeltes Gärsubstrat (Stroh/Luzerne) gelegt. Nach ein paar Tagen sprießte Mycel und bewuchs das Substrat schnell und kräftig.


Daraufgeschichtetes Gärsubstrat mit Kaffeesatz ebenso.

Danach habe ich einen Fehler gemacht und für die nächste Schicht vergorenes Substrat mit frischem Stroh gemischt. Das Ergebnis war wiederauflebende Gärung. Das Austernmycel legte daraufhin eine einwöchige Pause ein. Inzwischen wächst es munter weiter und dringt schon in die nächste Schicht ein.
Update: Es kommt wieder zum Vorschein:

Und inzwischen fruchtet es...



Weitere ähnliche Klonversuche mit Champignonstücken schlugen leider fast alle fehl, bis auf zwei...


Jedoch zeigte sich über sechs Wochen hinweg in keinem der Gläser mit Stroh/Luzerne jemals Schimmel. Das Substrat mit Kaffee ist erst seit vier Wochen im Einsatz, aber bisher auch schimmelfrei. Dies ist besonders interessant, da der zugesetzte Kaffeesatz Unmengen von Grünschimmelsporen enthielt. Offensichtlich können nach der Gärung keine Sporen mehr auskeimen.
Allerdings hatte ich bisher schon dreimal fremdes Mycel entdeckt, einmal irgendein harmloser Outdoor-Schimmel und zweimal unerwünschte Pilze. Also soo kontisicher isses doch nicht... Scheinbar überleben manche Mycelien die Gärung. Eine Pasteurisation des Substrates ist wohl angebracht, wenn das Impfmaterial nicht sehr kräftig ist...
Weitere Möglichkeiten:
Diese Art der Gärung scheint ihr Temperaturoptimum weit oberhalb der Zimmertemperatur zu haben. Über der Heizung gelagert zeigten die Gläser viel heftigere Gärung. Daher sollten größere Substratmengen, die sich von selbst aufheizen, viel schneller fertig sein, falls diese Erhitzung bei Milchsäuregärung stattfindet.
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Details der bisherigen Ansätze:
- Ansatz 1
13.12. Strohpellets im Glas zur Fermentation angesetzt, täglich umgerührt
erst süßlicher Geruch
18.12. Blasenbildung, CO2?, Geruch wird säuerlicher, strenger
21.12. Luzerne geerntet und getrocknet, ein paar Tage etwas dazugemischt
30.12. Blasen werden weniger
31.12. abgesiebt und ausgedrückt, zum Trocknen auf die Heizung gestellt, riecht fischig, Methylamin? - Ansatz 2
31.12. mit dem Gärwasser neues Stroh mit Luzerne angesetzt
01.01. Blasenbildung
06.01. Kaffeesatz dazugetan
13.01. abgesiebt und getrocknet, riecht mehr nach Sojasauce - Ansatz 3
13.01. mit dem Gärwasser neues Stroh/Luzerne/Kaffee/Brennesseln angesetzt
Gärung beginnt erst nach ein paar Tagen...
24.01. Gärung wird stärker
28.01. und wieder schwächer
31.01. gärt immer noch
02.02. abgegossen und festausgepreßt, Kalk/Gips dazugemischt, auf der Heizung getrocknet - Ansatz 4
15.01. Test mit Nagetierfutterpellets mit Luzerne, Getreide, Rübenmelasse, Ölsaat, etc.
gemischt mit Stroh, beimpft mit Gärwasser und Gärsubstrat
27.01. Gärung kommt nicht in Gang
31.01. grüner Schimmel an der Oberfläche, entsorgt - Ansatz 5 Champignonsubstrat 1
02.02. volles Programm: Stroh/Luzerne/Torf/Sonnenblumenkerne/Leinsamen/Bohnen/Kalk/Gips
mit Gärwasser, Kerne und Bohnen gemahlen,
tagsüber auf der Heizung gelagert
03.03. gärt, Kaffee dazugetan
06.02. weniger Blasen, Geruch wird sehr unangenehm, Buttersäure?
09.02. PH 6 - 7, entsorgt - Ansatz 6
02.02. Stroh/Luzerne/Kalk/Gips mit Gärsubstrat,
tagsüber auf der Heizung gelagert
03.03. gärt stark, Kaffee dazugetan
08.02. Geruch immer noch angenehm fruchtig, manchmal leicht alkoholisch
09.02. PH 5 - 6, Gärung und Geruch sind schwächer geworden, , ausgepreßt und getrocknet - Ansatz 7
10.02. Stroh/Kaffeesatz mit viel Gärwasser, auf der Heizung gelagert
12.02. nur schwache Gärung
14.02. wird stärker
15.02. PH 5 - 6
16.02. gärt noch, riecht angebrannt
17.02. Kalk/Gips zugesetzt, gärt weiter
19.02. Gärung beendet, ausgepreßt, getrocknet - Ansatz 8
10.02. Stroh/Kaffeesatz mit viel Gärwasser, auf der Heizung gelagert
11.01. Luzerne zugesetzt
12.02. nur schwache Gärung
13.02. wird stärker
15.02. PH 5 - 6
16.02. gärt kaum noch, riecht angebrannt
17.02. Kalk/Gips zugesetzt, gärt wieder
18.02. Gärung beendet, ausgepreßt, getrocknet - Ansatz 9
Fichtenholzpellets mit frischem Vollkornmehl, auf der Heizung gelagert
15.02. schwache Gärung, PH 4 - 5
16.02. Gärung beendet? Kalk/Gips zugesetzt, gärt weiter
18.02. gärt kaum noch
19.02. riecht seltsam, nach Medizin oder Desinfektionsmittel
20.02. gärt wieder
26.02. PH 6 - Ansatz 10
Buchenholzspäne mit frischem Vollkornmehl, auf der Heizung gelagert
14.02. Gärung hat eingesetzt
15.02. PH 3 - 4
16.02. Gärung beendet? Wasser erneuert, gärt nicht weiter, Geruch wie Bananenchips
17.02. Kalk/Gips zugesetzt
18.02. gärt weiter, schäumt
19.02. Hefebelag an der Oberfläche entfernt, bildet sich neu...
26.02. PH 5 - Ansatz 11
18.02. Stroh/Luzerne mit wenig Gärsubstrat aus Ansatz 8, auf der Heizung gelagert
19.02. gärt fleißig
20.02. Kaffeesatz zugesetzt
23.02. Gärung wird schwächer
24.02. Gärung beendet, ausgepreßt, getrocknet - Ansatz 12 Champignonsubstrat 2
19.02. Stroh/Luzerne mit wenig Gärsubstrat aus Ansatz 7, auf der Heizung gelagert
20.02. gärt, Roggen/Sittichfutter zugesetzt (abgekocht)
23.02. gemahlene Sonnenblumenkerne/Leinsamen/Bohnen zugesetzt, abends Geruch wie Sauerampfer
24.02. Geruch wird unangenehmer
26.02. entsorgt - Ansatz 13 Getreide
20.02. Roggen und Sittichfuttermischung, 3 Gläser, 24h eingeweicht, 15 min geköchelt, mit Einweichwasser und Gärwasser aus 12 beimpft
21.01. gärt
26.02. PH 4, gärt noch, aus einem Glas die Körner abgespült und abtropfen lassen