Hallo zusammen,
will mal wieder von meinen Experimenten mit fermentierten Substraten berichten. Momentan interessiert mich, wie ich auf Strohsubstraten die Erträge erhöhen kann, besonders in den ersten Erntewellen. Die mögliche Erntemenge wird meiner Ansicht nach hauptsächlich durch den geringen Stickstoffgehalt im Stroh begrenzt. Kohlenstoff ist ja in Form von Lignin und Zellulose ausreichend vorhanden, aber wenn der Stickstoff zur Neige geht, können diese nicht mehr genutzt werden. Natürlich könnte ich Kleie zusetzen, jedoch möchte ich lieber etwas austüfteln, das ganz ohne Sterilisation auskommt und nicht so schnell kontaminiert.
Doch erstmal zu einem anderen Versuch, womöglich ist der für einige interessant. Vor ein paar Monaten hatte ich mal getestet, wie gut man unsteriles Strohsubstrat mit fermentiertem Getreide aufpeppen kann und wie gut verschiedene Pilzarten damit zurecht kommen. Dazu füllte ich ein Glas etwa zur Hälfte mit trockenem Getreide (diesmal Weizen und ungeschälte Hirse, beide ohne vorheriges Abkochen), gab genügend Wasser dazu, damit die Körner nach dem Aufquellen bedeckt blieben und legte den Deckel locker drauf. Nach ein paar Tagen stiegen Blasen auf und ich konnte am süßsauren Geruch erkennen, daß die Milchsäuregärung planmäßig eingesetzt hatte. Ich ließ das ganze aber noch eine Woche stehen. Dann gab ich das abgetropfte Getreide 2 bis 3cm hoch in Gläser und bedeckte es mit wechselnden Schichten von durchwachsenem Stroh und frischem Substrat. Während der Substratbesiedelung war schleimiger Hefebewuchs im Getreide sichtbar, danach wuchsen Auster und Kräuterseitling gierig in die fermentierten Körner ein, Schopftintling und Parasol nur teilweise. Bei den letzten beiden breiteten sich nach einigen Wochen von unten her langsam Kontis aus und das Mycel starb nach und nach ab. Die Austern fruchteten besser als ohne Getreide, wurden aber nach ein paar Wellen ein Opfer der Trauermücken. Den Kräuterseitlingen war es leider zu warm zum fruchten. Hier ein Foto vom Kräuterseitlingsmycel auf dem Weg durch das vergorene Getreide. Es wächst dort zwar langsamer, aber viel dichter als oben im Strohsubstrat.
Für einen aktuellen Versuch hatte ich mir letztens Luzernepellets bestellt. Da dieser Klee einen hohen Eiweißgehalt aufweist, sollte er sich gut als stickstoffreicher Zusatz zu Strohsubstraten eignen, wobei allerdings die Gefahr von Kontamination und Substraterhitzung steigt. Das passende Mischungsverhältnis war nicht einfach zu bestimmen. Luzerne scheint Kohlenstoff und Stickstoff im verhältnis 15:1 zu enthalten. Für Stroh findet man unterschiedliche Angaben, meist zwischen 80:1 oder 100:1, aber manchmal auch 60:1. Die genauen Werte werden natürlich immer schwanken, aber ich gehe erstmal von einem durchschnittlichen Wert von 90:1 aus. Korrigiert mich bitte, wenn ich damit falsch liege. Das optimale Verhältnis für Seitlingssubstrate soll laut Literatur (Lelley, Kulturtechnologie der Speisepilze) bei 40:1 liegen, welches dann bei einer Mischung von 75% Stroh und 25% Luzerne vorliegen sollte.
Erste Versuche mit diversen Seitlingen und abgekochten Mischungen aus Stroh- und Luzernepellets im Verhältnis 3:1 verliefen gut, solange ich frisches und durchwachsenes Substrat zu gleichen Teilen mischte und für ausreichende Belüftung sorgte. Andernfalls kam es immer wieder zur starken Vermehrung von Bakterien und Hefen, welche durch unangenehme, manchmal irgendwie alkoholische Gerüche erkennbar waren. Meist setzten sich die Seitlinge aber durch und die Gerüche verschwanden wieder. Austern- und Kastanienseitling ware die wiederstandsfähigsten, Flamingo und besonders Limone brauchten meist länger und zeigten generell schwächeres Mycelwachstum.
Jetzt teste ich die Fermentierbarkeit dieser Substratmischung, zur Sicherheit erstmal mit geringeren Luzerneanteilen. Vergoren wird in Eimern mit Deckel. Bisher waren es nur zwei Ansätze, einer mit einer geringen Zugabe von Zucker (ein Eßlöffel auf ca. 5L Wasser), um die Milchsäurebakterien zu begünstigen und einer ohne Zucker. Bei beiden war kein Unterschied zu erkennen. Nach einem Tag begann das Material zu schäumen und leicht sauer, aber auch süßlich und fruchtig nach Aprikosen zu riechen. Nach einem weiteren Tag endete die Blasenbildung. Wiederum einen Tag später preßte ich das Gärgut aus und setzte es ein, da ich befürchtete, daß die Gärung ohne Blasenbildung fehlschlagen könnte. Einen Rest ließ ich aber stehen und gab ein paar Tage später Getreide hinzu. Dieser Ansatz riecht nach nunhehr zwei Wochen etwas säuerlicher, wie Johannisbeersaft. Nach einer Woche ohne Umrühren schwommen dort ein paar Flecken Kahmhefe auf der Oberfläche, Schimmelbewuchs fand nicht statt. Leider hatte ich den PH-Wert nicht gemessen, bevor ich das Getreide zugab. Laut meinen schrottigen Meßstreifen liegt er jetzt zwischen 3 und 4. Das heißt zwar, daß die Gärung gut geklappt hat, jedoch fürchte ich, daß das Mycel nicht mehr so einfach einwächst. Werde mal Proben verarbeiten und in ein paar Tagen davon berichten.
Scheinbar hatte ich es aber mit der Verarbeitung dieser beiden Gärversuche zu eilig. Ich hatte drei kleinere Plastikboxen mit dem ausgepreßten Gärgut und ca. 30% durchwachsenem Substrat jeweils zur Hälfte befüllt. Dabei kam es wieder zu anfänglicher Geruchsbildung und ungleichmäßigem Mycelwachstum. Besonders bei der normalen Auster. Hier hatte ich Bereiche mit extrem dichten Mycel, das stellenweise in die Luft wuchs, als wolle es dem Substrat entkommen und andere, mit sehr feinen, langen Hyphen, die ich zuerst für Köpfchenschimmel hielt. Fast hätte ich alles entsorgt... Eigentlich wollte ich das Mycel noch weiterfüttern, da aber Milben in den Boxen rumkrochen, ließ ich das lieber, öffnete die Boxen nach neun Tagen und stellte sie in mein Foliengewächshaus, wobei ich die Reißverschlüsse aber offen ließ. Vier Tage danach konnte ich die ersten, zahlreichen Primordien bei der Kastanienauster bewundern, bei der normalen Auster verdichtet sich das Mycel im Substrat und bei der Limone passiert noch nichts derartiges. Vom Milbenbefall ist nichts mehr zu sehen, evtl. sind die Biester zugrunde gegangen, als das Substrat noch nachgärte, vielleicht befinden sie sich aber einfach tiefer im Substrat.
Mit dem ausgepreßten Gärwasser scheint leider etwas Stickstoff verlorenzugehen. Ich hatte die braune Brühe mit Wasser verdünnt und damit meine Balkonpflanzen gegossen. Ein paar, die vorher an Stickstoffmangel litten und schon blasse, gelbliche Blätter hatten, sehen jetzt viel gesünder aus. Vielleicht eignet es sich ja auch, um vergrabene Outdoor-Pilzkulturen zu düngen?
Noch ein paar Bilder:

Mycelberge der Auster kurz nach dem Öffnen

Primordien vom Kastanienseitling, 13 Tage nach dem beimpfen

Einen Tag danach, bzw. gestern

Und heute
Ich denke, die sind fast erntereif. Werde noch abwarten, bis die ersten Sporen rieseln. Weitere Bilder reiche ich nach. Ansonsten bin ich sehr gespannt auf den Ertrag in der ersten Welle.
Grüße, Carsten